Generalanwalt beim EUGH zur Zulässigkeit von Cheat-Software

Der Generalanwalt beim EUGH konnte nun endlich seine Stellungnahme abgeben zu der Frage, ob eine Cheat-Software urheberrechtlich zulässig ist (EUGH, C‑159/23). Der Fall ist extrem spannend und wird deutliche Auswirkungen auf die Spielebranche haben.

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Spielerecht – Cheats, Bots & Co.: Rechtsfragen rund um Online-Computerspiele

Das Spielverhalten bzgl Computerspiele am Computer hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert: Wo früher noch Disketten und CDs üblich waren, teilweise in Kombination mit obskur wirkenden Kopierschutzmaßnahmen (ich erinnere mich gerne an die Mix’n’Mojo Drehscheibe bei Monkey Island, die es heute übrigens auch online gibt), herrschen heute nicht nur Downloads vor, sondern auch vollkommen neue Spielkulturen, die sich teilweise vollständig in den Online-Bereich verlagert haben.

Nicht zuletzt die „Massively Multiplayer Online Role-Playing Game“ (MMORPG) wie „World of Warcraft“ haben insofern einen wahren Kulturwechsel eingeläutet – und auch vollkommen neue Rechtsfragen: Während man sich früher die größten Sorgen darum machte, wie man Spiele am besten kopiert, herrschen heute andere Begehrlichkeiten. In einer Zeit, in der Accounts Geld kosten und erspielte virtuelle Güter einen echten Marktwert haben, wird Cheating in Spielen ganz anders bewertet. Das zeigt sich auch an aktuellen gerichtlichen Entscheidungen. Rechtsanwalt Jens Ferner, tätig im Bereich des Softwarerechts inklusive der Rechtsfragen von Online-Spielen, gibt einen Überblick.

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Cheat-Software: BGH legt dem EUGH Frage zum Schutzbereich eines Computerprogramms vor

Mit Spannung war die Entscheidung des BGH (I ZR 157/21) erwartet worden, nun ist klar, dass es eine Vorlage an den EUGH geworden ist!

Der BGH fragt beim EUGH an:

  1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art.1 Abs.1 bis3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
  2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

Der BGH macht in seiner Anfrage deutlich, dass er sowohl nach dem Wortlaut der in der Richtlinie 2009/24/EG getroffenen Regelungen als auch mit Blick auf den Regelungszusammenhang und die Entstehungsgeschichte von einer Auslegung des Begriffs des Computerprogramms ausgeht, die sich am Quell- und Objektcode als Ausdrucksform des vom Programmentwickler (Urheber) geschaffenen eigenpersönlichen Werks orientiert – und damit eine bloße Beeinflussung der während eines Spiels im Arbeitsspeicher des Computers erzeugten variablen Daten nicht erfasst!

Für die rechtlich zunehmend umstrittene Thematik der Cheat-Software ist von Bedeutung, dass der BGH ausdrücklich Zweifel daran äußert, ob der von dem angestrebten Ziel der Gestaltung eines unterhaltsamen Spielablaufs geprägte Wille des Programmentwicklers, nur die während des Programmablaufs gemäß den Spielregeln anfallenden variablen Daten zur Grundlage von Programmbefehlen zu machen, bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Computerprogramms berücksichtigt werden kann.

Klärungsbedürftig ist auch die Reichweite des Begriffs der Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2009/24/EG. Fraglich ist, ob diese Vorschrift dahin auszulegen ist, dass eine Umarbeitung vorliegt, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung geändert wird, sondern ein anderes Programm, das gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm abläuft, den Inhalt von Variablen ändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Programmablauf verwendet.

Der BGH stellt sich klar gegen die Auffassung, die für eine Umarbeitung stets einen Eingriff in den Quell- oder Objektcode und in diesem Sinne in die Substanz des Computerprogramms für erforderlich hält. Denn, so der BGH: Bereits der Wortlaut „Umarbeitungen“ spricht – ebenso wie der in der englischen Sprachfassung verwendete Begriff „alteration“ – dafür, dass eine Einwirkung auf den Quell- oder Objektcode erforderlich ist und eine bloße Beeinflussung etwaiger variabler Funktionsergebnisse, die im Zuge des Programmablaufs erzeugt werden, nicht ausreicht. Etwas anderes dürfte allerdings gelten, wenn der Gerichtshof der Europäischen Union im Hinblick auf die erste Vorlagefrage solche Funktionsergebnisse als Teil des urheberrechtlichen Schutzes des Computerprogramms ansehen sollte. In diesem Fall läge in der hier in Rede stehenden Einflussnahme auf den Inhalt der Variablen auch ein verändernder Eingriff in das Computerprogramm.

Schutz von Technologien

Technologien können im Allgemeinen einem juristischen Schutz vor Nachahmung unterliegen – es kommt auf den Einzelfall an. Wir haben eine kleine Übersicht zum Schutz von Technologien erarbeitet:

Hinzu treten besondere Schutzgesetze, wie etwa zum Halbleiterschutz oder Sortenschutz. Vieles hängt aber am Einzelfall, etwa beim Schutz von Software, wo es stark auf die Abgrenzung zwischen nur technischer Umsetzung und eigener Schöpfung ankommt.

3D-Urheberrecht

Dreidimensionales Urheberrecht klingt erst einmal nicht aufregend – doch es gibt erhebliche Rechtsfragen rund um das 3D-Urheberrecht und den 3D-Druck. In unserem Beitrag erhalten Sie einen Einstieg.

Computerspiele

Computerspiele sind spannend – die Entwicklung und ihr Schutz, insbesondere der Schutz des Gameplays, auch. RA JF ist nicht nur begeisterter Spieler auf diversen Konsolen, sondern beschäftigt sich auch mit Rechtsfragen von Computerspielen.

Schutz des Firmennamens

Der Firmenname ist schon fast etwas altbacken als Thema – darf aber nicht zu kurz kommen. Wir bieten einen ersten Einstieg in die Thematik des Schutzes des Firmennamens.

Urheberrechtlicher Schutz

Wann besteht ein urheberrechtlicher Schutz – was ist urheberrechtlich geschützt?

Urheberrecht & Software

Wann ist Software urheberrechtlich geschützt – nun ist es mit der Frage nicht ganz so einfach, auch wenn natürlich ein grundsätzlicher Schutz im Raum steht. Wir bieten Ihnen einen Überblick zum urheberrechtlichen Schutz von Software.

Verkündungstermin des BGH zur urheberrechtlichen Zulässigkeit einer „Cheat-Software“

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (I ZR 157/21) hat über Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen des Vertriebs von Software zu entscheiden, die dem Nutzer das Manipulieren des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht.

Hinweis: Die Entscheidung wird für die rechtliche Zulässigkeit von Cheat-Software erhebliche Auswirkung haben, deswegen wird hier im Blog schon der Hinweis auf den Verkündungstermin aufgenommen. Das OLG HH (hier bei uns) hatte vorher – durchaus überraschend – bei schlichtem Zugriff auf Speicherdaten (nicht: Programmdaten!) im Arbeitsspeicher eine urheberrechtliche Relevanz verneint.
Update: Verkündungstermin war am 23. Februar 2023, 8.30 Uhr – die Sache wurde dem EUGH vorgelegt!

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Urheberrechtliche zulässigkeit von Cheat-Software (OLG HH)

Beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (5 U 23/12) ging es um die Zulässigkeit des Angebots von „Software-Ergänzungsprodukten für die PlayStationPortable“. Was sperrig klingt ist ein klassisches Cheat-Produkt, wobei sich dann die Frage stellt, ob dies urheberrechtlich zulässig ist – und ob der Rechteinhaberin Unterlassungsansprüche zustehen:

Diese Softwareprodukte funktionierten ausschließlich mit den Originalspielen der Klägerin. Die Ausführung der Software [A] erfolgte dergestalt, dass die PSP mit einem PC verbunden und in die PSP ein Memory Stick eingelegt und mit Software der Beklagten beschrieben wird. Nach dem Neustart der PSP erschien dann ein zusätzlicher Menüpunkt „[A]“, über den Veränderungen an einzelnen Spielen der Klägerin vorgenommen werden konnten … die dazu führten, dass künftige Beschränkungen beim Einsatz des „Turbos“ („Booster“) entfielen oder nicht lediglich ein Teil der Fahrer verfügbar war, sondern auch schon der Teil, der ansonsten erst beim Erreichen bestimmter Punktzahlen freigeschaltet wurde.

Mit der Software [T] erhielt der Besteller einen Sensor, der an den Headset-Anschluss der PSP angeschlossen wurde und die Steuerung der PSP durch Bewegungen der Spielekonsole im Raum ermöglichte. Zur Vorbereitung des Einsatzes des Bewegungssensors war ebenfalls ein Memory Stick in die PSP einzustecken, wodurch ein zusätzlicher Menüpunkt [T] verfügbar wurde mit einer Auswahlliste von Spielen. Auch hier ermöglichte das angegriffene Produkt, dass während des laufenden Spiels durch eine Tastenkombination ein zusätzliches Menü aufgerufen werden konnte, das nicht im Originalspiel vorgesehen war. Wurde dort die Option „[T]“ gewählt, entfielen bestimmte Beschränkungen (…)

Oberlandesgericht Hamburg, 5 U 23/12

Update: Die Sache ist inzwischen beim BGH (I ZR 157/21) anhängig und wird dort im Februar 2023 entschieden.

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AG Karlsruhe zur Kündigung des Zugangs zu einem kostenlosen Online-Spiel

Das AG Karlsruhe (8 C 220/12) hatte sich mit der Kündigung eines Online-Spielevertrages zu beschäftigen. Hierbei ging es um ein kostenlos zur Verfügung gestelltes Spiel, bei dem im Nutzungsvertrag als AGB vorgesehen war, dass der Anbieter jederzeit ohne Gründe den Nutzungsvertrag kündigen kann.

Diese Klausel hatte beim Amtsgericht Karlsruhe Bestand. Genau genommen finden sich dort gar keine Ausführungen zur Wirksamkeit einer solchen Klausel, was ich durchaus kritisch sehe. Es muss selbstverständlich einem Anbieter kostenloser Spiele möglich sein, etwa jederzeit sein Angebot komplett wieder einstellen zu können. Damit aber auch ein – quasi willkürliches – jederzeit grundlos ausübbares Kündigungsrecht zu rechtfertigen, ginge mir zu weit. Vielmehr muss hier, analog zur bestehenden Rechtsprechung in Sachen virtuelles Hausrecht, zumindest eine Willkürkontrolle möglich sein. Daher möchte ich diesen Aspekt der Entscheidung ablehnen.

Aber: Im Ergebnis wird die Kündigung wohl rechtmässig gewesen sein. Einerseits hatte der Spieler angeblich „Spielgeld“ entgegen den Spielregeln erworben. Andererseits seine Login Daten (unerlaubt) an Dritte weitergegeben. Sofern dies erwiesen worden wäre, lägen hier berechtigte Kündigungsgründe.

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Spielerecht: Urheberrechtsverletzung durch Cheat-Software die Programmcode im Arbeitsspeicher verändert

Das OLG Hamburg (5 U 11/11, Vorinstanz LG Hamburg, 310 O 115/10) hat mit Urteil aus dem April 2012 festgestellt, dass Veränderungen am Programmcode im Arbeitsspeicher eine Urheberrechtsverletzung darstellen können, die einen Unterlassungsanspruch begründen können. In der Sache ging es um eine Software, die man auf den Speicherstick einer „Playstation Portable“ installieren sollte. Dort hat diese Software eine Spiel-Software, die in den Arbeitsspeicher geladen wurde, im Arbeitsspeicher verändert um „Cheats“ zu ermöglichen. Die Frage war nun, ob diese nur zeitweilige Änderung im Arbeitsspeicher eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Konkret sieht das OLG einen Eingriff in das geschützte Recht auf Umarbeitung nach §69c Nr.2 UrhG. Ohne Belang ist für das OLG, dass letztlich die „verkörperte Fassung“ des Programms nicht geändert wird, sondern alleine zeitweilig Eingriff in die laufenden Routinen im Arbeitsspeicher genommen wird. Letztlich wird dies durch das Gericht damit begründet, dass es im Ergebnis schlichtweg keinen Unterschied macht, ob der verkörperte Programmcode oder nur die laufenden Routinen verändert werden. Die Ausnahmeregelung nach §69e UrhG hat das Gericht mit einem simplen Argument abgelehnt: Die Cheat-Software hat gar keine eigene Funktionalität losgelöst von dem Programm in das sie eingreift!

Die hier getroffene Entscheidung erging im Zuge einstweiligen Rechtsschutzes und steht in der Hauptsache noch als endgültige Entscheidung aus. Gleichwohl handelt es sich um eine bedeutsame Rechtsfrage die nicht nur theoretischer Natur ist, schliesslich geht es darum, jeden in Anspruch zu nehmen, der entsprechende Software vertreibt. Inhaltlich überzeugt der hier aufgezeigte Weg auf den ersten Blick. Auch wenn die Hauptsache-Entscheidung abzuwarten bleibt (und auf eine BGH-Entscheidung zu hoffen ist), ist derzeit nicht mit großen Überraschungen zu rechnen. Vorsicht ist geboten.

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