Rechtsnatur der Softwareüberlassung im Rahmen eines ASP-Vertrages

Zur Rechtsnatur der Softwareüberlassung im Rahmen eines ASP-Vertrages konnte der BGH (XII ZR 120/04) eine Klärung herbeiführen.

Bei einem ASP-Vertrag (Application Service Providing/Bereitstellung von Softwareanwendungen und damit verbundenen Dienstleistungen), jedenfalls in der hier vorliegenden Variante, stellt der Anbieter eine Software auf seinem Server bereit und ermöglicht dem Kunden die zeitlich begrenzte Nutzung dieser Software über das Internet oder andere elektronische Netze. Die Software verbleibt während der gesamten Nutzungsdauer auf dem Rechner des Anbieters. Die jeweils benötigten Funktionen der Anwendungen werden dem Kunden lediglich über Datenleitungen auf seinem Bildschirm zur Verfügung gestellt. Als zusätzliche Leistung übernimmt der Anbieter in der Regel die Softwarepflege, Updates und Datensicherung und stellt Speicherplatz für die Nutzung zur Verfügung.

Als typische Leistung des ASP-Vertrages steht damit die zeitlich befristete Einräumung der Online-Nutzung von Software im Mittelpunkt der vertraglichen Pflichten. Es liegt daher nahe, mit der herrschenden Meinung in der Literatur als Rechtsgrundlage für diese vertraglichen Ansprüche einen Mietvertrag anzunehmen, der die entgeltliche Gebrauchsüberlassung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zum Gegenstand hat.

Dabei wird die Anwendung des Mietrechts auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei der Software nicht um eine Sache im Sinne des § 90 BGB handelt: Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass eine auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware als bewegliche Sache anzusehen ist, auf die je nach der vereinbarten Überlassungsform Miet- oder Kaufrecht Anwendung findet.

Auch die nach dem ASP-Vertrag geschuldeten Softwareprogramme sind auf einem Datenträger verkörpert. Denn die zur Steuerung des Computers dienenden Programme müssen, um ihre Funktion erfüllen zu können, d.h. um überhaupt nutzbar zu sein, in verkörperter Form vorliegen, sei es auf einem Wechseldatenträger (z.B. Diskette, CD, USB-Stick), auf einer Festplatte oder auch nur auf einem flüchtigen Datenträger.
Festplatte oder auch nur auf einem flüchtigen (stromabhängigen) Speichermedium. Gegenstand des ASP-Vertrages ist daher immer die verkörperte geistige Leistung. Dabei ist es unerheblich, auf welchem Informationsträger das Computerprogramm verkörpert ist. Entscheidend ist allein, dass es verkörpert und damit nutzbar ist. Das Buch ist mit dem elektronischen Datenträger vergleichbar. Auch das Buch, dessen Sachqualität unstreitig ist, ist das Ergebnis einer schöpferischen geistigen Tätigkeit und wird ausschließlich wegen seines geistigen Inhalts und nicht wegen seines Informationsträgers, des Papiers, erworben. Seine materielle Qualität verliert es dadurch nicht.

Das urheberrechtlich geschützte Werk ist von der Werkverkörperung zu trennen, die dem Anwender zur Nutzung des Computerprogramms überlassen wird. Letzteres ist für die Rechtsnatur des Softwareüberlassungsvertrages unerheblich. Denn Zweck des Softwareüberlassungsvertrages ist es, dem Anwender die Nutzung eines Computerprogramms zu ermöglichen, unabhängig davon, ob es urheberrechtlich geschützt ist oder nicht. Für ein geschütztes Programm bedarf es freilich zusätzlich der urheberrechtlich erforderlichen vertraglichen Vereinbarungen, wie der Erlaubnis zur Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung gemäß § 69c UrhG. Im Übrigen muss sich die Gewährleistung wegen Funktionsmängeln von Computersoftware bei urheberrechtlich geschützter und ungeschützter Software nach identischen Regeln richten, da diese Frage nicht mit dem Urheberrecht zusammenhängt (BGHZ 102, 135, 142).

Der Anwendbarkeit des Mietrechts steht mit dem BGH auch nicht entgegen, dass die Beklagte keinen Besitz an den verkörperten Computerprogrammen erlangt, sondern diese ihr nur über das Internet zugänglich sind. Denn der Mietvertrag setzt keine Besitzverschaffung, sondern lediglich eine Gebrauchsüberlassung voraus. Art und Umfang der Gebrauchsüberlassung richten sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Nur wenn nach diesen der Gebrauch der Mietsache zwingend deren Besitz voraussetzt, umfasst die Gebrauchsüberlassung auch die Verschaffung des Besitzes. Ist also die Verschaffung des Besitzes für den vertragsgemäßen Gebrauch nicht erforderlich, wie hier bei der Online-Nutzung von Software, genügt es für die Gebrauchsgewährung, dass dem Mieter der Zugang zur Mietsache verschafft wird, der auch online erfolgen kann.

Ebenso wie die zeitlich begrenzte Überlassung der Software durch Online-Zugriff auf den Server der Klägerin ist auch die hier zusätzlich vereinbarte Überlassung von Speicherkapazitäten auf dem Server der Klägerin zur Speicherung der von der Beklagten im Rahmen der Softwarenutzung eingegebenen Daten als Mietvertrag zu qualifizieren.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT-Recht)

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