Sind Ihre Verträge bereit für das nächste Jahrzehnt? Es ist ohnehin schon erschreckend, wie wenig Mühe sich Unternehmen mit Ihren Verträgen machen: Dabei beruhen hierauf doch sämtliche erzielten Umsätze.
Und nun kommt auch noch etwas ganz Neues: Von der „größten Reform des Schuldrechts seit zwei Jahrzehnten“ spricht der Beck-Verlag zu Recht zur Neuauflage des Grüneberg-BGB-Kommentars (vormals Palandt). Die Umsetzung von Digitale-Inhalte-RL, Warenkauf-Richtlinie und des Gesetzes für faire Verbraucherverträge bringen weitreichende Änderungen, die man im kaufmännischen und vertragsrechtlichen Alltag ab dem 1.1.22 kennen muss. Weitreichende Änderungen im Kaufrecht und AGB-Recht werden die Arbeit der nächsten Jahre prägen, besonders für jeden, der mit der Überlassung digitaler Produkte zu tun hat oder der mit dem An- oder Verkauf sein Geld verdient.
2022: Ein modernes Zivilrecht für Deutschland – und Europa
Ab dem 1.1.2022 soll das Zivilrecht moderner sein, auf EU-Ebene wurden in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrere Richtlinien erlassen, die miteinander verzahnt sind und im Ergebnis europaweit einheitlich den Weg in ein neues vertragsrechtliches Zeitalter bahnen sollen.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden etwa in Deutschland vier wichtige neue Punkte angegangen: Der Sachmangelbegriff im Kaufrecht wird modernisiert, es gibt ein neues, gesetzlich kodifiziertes Recht digitaler Produkte (im weitesten Sinne ein „Softwarerecht“), die Sicherheit von Produkten steht im Fokus und durch eine Pflicht zur Aktualisierung werden digitale Produkte nicht mehr leicht veralten können. Soweit die Theorie. In der Praxis betrifft all dies im Wesentlichen das Verbraucherrecht, sodass es etwa für Verbraucher nun ein eigenes Softwarerecht gibt – für das geschäftliche Umfeld aber nicht. Dies mag man als maximal unglücklich betrachten, weniger Arbeit werden IT-Rechtler deswegen jedenfalls nicht haben.
Diese vier Punkte, die auf meiner eigenen Analyse beruhen und die man auch anders gewichten kann, sind zugleich die vier Themen meiner Artikelserie. Der vorliegende Artikel gibt insoweit einen ersten Überblick, in den folgenden drei Beiträgen geht es dann um das neue Softwarerecht, die Sicherheit und die Aktualisierungspflicht.
Was hat der Gesetzgeber da konkret gemacht?
Alleine sich einen ersten Überblick zu erarbeiten kostet schon sehr viel Zeit. Aus meiner Sicht muss man, um das neue Verbraucherrecht zu verstehen, vor allem sechs verschiedene Maßnahmen im Überblick sehen:
Diese Eingriffe in das BGB führen zu weitreichenden Änderungen im Kaufrecht, der Schaffung eines neuen Teils im BGB zu digitalen Produkten, Änderungen im TKG, bei AGB und im UWG. Ein kleiner erster Überblick ergibt sich aus meinen Folien zum Thema
Änderungen im Kaufrecht: Der neue Sachmangel
Der Begriff des Sachmangels wird weiter entwickelt, leider auch der Umfang des Gesetzestextes. Die Zentrale Norm ist und bleibt der § 434 BGB, der zukünftig 5 (lange) Absätze ausweist und nicht mehr primär
auf die vereinbarte Beschaffenheit abstellt, sondern vielmehr einen gleichrangigen Dreiklang im neuen ersten Absatz formuliert:
„Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“
Der Aufbau des §434 BGB folgt dabei einem einfachen Schema:
- Absatz 2: Wann sind die subjektiven Anforderungen erfüllt
- Absatz 3: Wann sind die objektiven Anforderungen erfüllt
- Absatz 4: Wann sind die Montaganforderungen erfüllt
Der Sachmangel
Subjektive Anforderungen
Faustformel des Absatz 2:
Eine Mangelhaftigkeit liegt vor,
wenn die vertragliche
Vereinbarung (= vereinbarte
Beschaffenheit + konkrete
vertragliche Verwendung)
nicht erfüllt wird. Die Richtlinie
stellt letztlich selber auf eine
„Beschaffenheit“ ab, die wohl
dem rechtlichen Begriff der
bisherigen Auffassung
entsprechen wird; fragliche
Ausnahme: die rigide BGH-
Rechtsprechung mit der eine
Beschaffenheitsvereinbarung
bisher dem Grunde nach
angenommen wurde. Ebenfalls
wird wohl die Nr.2 in Zukunft
eine konkrete Vereinbarung
sein müssen (?)
Objektive Anforderungen
Grundsätzlich muss objektive
Mangelfreiheit vorliegen
(=gewöhnliche Verwendung und
wie bei Sachen dieser Art zu
erwarten) – wenn nicht eine
(wirksame!) negative
Beschaffenheitsvereinbarung
vorliegt, die einer besonderen
Form unterfällt (folgt sogleich zu
476). Zu den Fallgruppen ist
anzumerken:
- Nr.1: Hier wird das bisherige Recht weitergelten
- Nr.2: Besonderheit Sicherheit und Haltbarkeit; letzteres ist, dass eine übliche funktionierende Dauer gesichert ist
- Nr.3: Wie Gesetzestext
- Nr.4: Kein Streit mehr möglich zum Fehlen der Anleitung
Montage
Insgesamt eine sprachliche
Klarstellung, die weitestgehend
dem bisherigen §434 II BGB
entspricht.
Bei genauem Blick zeigt sich,
dass die Vornahme der
Montage durch Verkäufer oder
Gehilfe gestrichen wurde – soll
aber keinen Rückschluss
anbieten und ebenfalls
lediglich eine Klarstellung sein,
da sich dessen Verantwortung
aus den allgemeinen
Grundsätzen ergibt.
.
Negative Beschaffenheitsvereinbarung
Grundsätzlich bleibt es zudem bei der Formulierung im § 476 I BGB, mit dem eine abweichende Vereinbarung nicht möglich ist. Zugleich gibt es einen wichtigen Ausnahmefall: Ein Abweichen von § 434 Abs.3 BGB, der objektiven Beschaffenheit ist möglich. Aber es versteckt sich in §476 I S.2 BGB für den Verbrauchsgüterkauf eine neue Formvorgabe, die so verstanden wird, dass
- der Unternehmer den Verbraucher gesondert informiert
- der Verbraucher gesondert und ausdrücklich einwilligt
Wenn man in den zu Grunde liegenden Gesetzesentwurf (BT-Drs. 19/27424, 42) blickt, sieht man, dass weder eine konkludente Einwilligung noch irgendwelche vorher ausgewählte „Kästchen“ ausreichend sind; nicht einmal separate AGB sollen ausreichen! Ausdrücklich auch nicht „neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einem Formularvertrag“.
In Zukunft wird also hart darum gekämpft werden, wann tatsächlich eine negative Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt – hier liegt erhebliches Streitpotential, bei dem sich schlechte Verträge sehr teuer auswirken. Insbesondere dürften die nach bisherigem Recht üblichen Vereinbarungen, speziell beim Autokauf, äußerst kritisch mit der Formvorgabe des neuen Rechts zu prüfen sein. Hinzu kommt dann noch, dass die Vermutung der Mangelhaftigkeit nicht mehr wie bisher für 6 Monate ab Gefahrübergang im Raum steht, sondern auch noch für ein Jahr.
Vorsicht bei der Nacherfüllung!
Die Nacherfüllung wird viele Verkäufer überfordern, die unvorbereitet in das neue Kaufrecht starten: Im Verbrauchsgüterkauf ist der Rücktritt vom Kaufvertrag durch den Käufer möglich, auch wenn keine Frist gesetzt wurde und auch wenn nicht ausdrücklich zur Nachbesserung aufgefordert wurde: Mit dem neuen §475d I Nr.1 BGB reicht die Anzeige des Mangels aus (die der Verbraucher schon zur Verjährungshemmung vornehmen wird, denn auch das ist neu: schlichte Mangelanzeige hemmt Verjährung!); beachten Sie aber auch ebendort die Nr.2: Es wird den Rücktritt sofort nach erster fehlgeschlagener Nacherfüllung geben! Es gibt damit keine feste Anzahl von Versuchen mehr, ab denen die Nacherfüllung gescheitert ist – es kommt auf den Einzelfall an.
Nicht schön wird auch der Streit um Ein-/Ausbaukosten: Zukünftig ist §442 BGB beim Verbrauchsgüterkauf gar nicht mehr anwendbar (dazu §475 II S.3 BGB!), weil die Richtlinie einen Ausschluss bei grob fahrlässiger Unkenntnis nicht vorsieht. Für die Kostentragungspflicht kommt es mit dem neuen Kaufrecht und §439 III BGB also nur noch darauf an, ob die Sache eingebaut wurde, bevor der Mangel offenbar wurde. Wieder sehr viel Streitpotential und viele Kosten.
Erstes Fazit (Teil 1)
Es kommt viel auf Sie zu – und Sie werden nicht vorbereitet sein, denn der Gesetzgeber hat kurzfristig reagiert und die juristischen Verlage fangen erst zaghaft an, Literatur zu drucken. Ich gehöre zu den sehr wenigen, die spontan Vorträge zum Thema anbieten und dieser erste Teil zeigt schon: Es tut sich sehr viel. Und es wird noch mehr, im 4. Teil zur Aktualisierungspflicht werde ich Ihnen zeigen, dass ein Grundprinzip der Gewährleistung aufgehoben wurde und Verkäufer auf unabsehbare Zeit für mangelfreie Produkte haften. Doch vorher lernen Sie die digitalen Produkte kennen, ein Novum im deutschen Recht.
Allgemeine Hinweise
Im Schwerpunkt geht es hier natürlich um das neue Recht, das uns auf viele Jahre beschäftigen wird, bis man sich wirklich orientieren können wird. Gleichwohl gebe ich Ihnen hier einige weitere allgemeine Hinweise zu klassischen Fallstricken in veralteten Verträgen, die man kennen sollte und die als Beispiel dienen, warum man nicht Jahrelang mit den gleichen Verträgen am Markt sein sollte.
Allgemeines
Die Frage, ob eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) vorliegt, ist von erheblicher Bedeutung: Wenn AGB vorliegen, gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sehr strenge Prüfkriterien zur Frage, ob eine konkret getroffene Regelung zulässig ist oder nicht. Dabei wird zu selten darüber nachgedacht, was überhaupt AGB sind. Viele glauben, dass AGB dann nicht vorliegen, wenn man etwa von Hand Vertragsregeln notiert. Doch dem ist nicht so, es kommt alleine darauf an, ob die AGB vorformuliert sind – dass man AGB im Kopf hat und handschriftlich notiert, ändert nichts an ihrer rechtlichen Einordnung und Prüfung der Zulässigkeit als AGB. Mehr zur Annahme von AGB finden Sie hier bei uns.
Inzwischen ausdrücklich festgestellt ist dann auch, dass etwa das Ankreuzen vorgesehener Felder oder handschriftliche Änderungen oder Ergänzungen an dem vorformulierten Vertragstext nichts an der Bewertung als AGB ändern. Wenn man aus der Annahme einer AGB herauskommen möchte, muss der Vertragstext individuell ausgehandelt werden – was mit dem Bundesgerichtshof (BGH) voraussetzt, dass man bereit ist, die vorgesehene Klausel ganz aufzugeben. Daher sind auch von vornherein vorgesehene Klauselalternativen mit dem BGH nicht hilfreich. Ebenso ist es nicht möglich, sich als Verwender selbst auf die Unwirksamkeit von eigenen AGB zu berufen – ein solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich.
Auswirkungen bei unwirksamen AGB-Klauseln
Unwirksame AGB-Klauseln sind insgesamt unwirksam, weder hilft der versuch einer Heilung (siehe unten „salvatorische Klausel“) noch kann eine ergänzende Vertragsauslegung stattfinden. Auf keinen Fall ist eine geltungserhaltende Reduktion möglich, was bedeutet, dass eine unwirksame AGB insgesamt unwirksam bleibt. So kann etwa eine unzulässige lange Vertragslaufzeit nicht auf ein zulässiges Maß reduziert werden. Allerdings können trennbare Klauseln in einen wirksamen und unwirksamen Teil gespalten werden bis zur Grenze geltungserhaltender Reduktion, im Streitfall sind hier Argumentation und Fingerspitzengefühl gefragt.
Abmahnungen von AGB: Wer jedenfalls im Verkehr mit Verbrauchern unwirksame AGB verwendet, kann durch Mitbewerber und Verbraucherschutzverbände abgemahnt werden, das hat der BGH inzwischen klar gestellt. Jede einzelne unwirksame AGB birgt damit das Risiko einer Abmahnung. Interessanterweise gibt es zugleich eine Vielzahl von unwirksamen AGB, die in Masse und extrem verbreitet verwendet werden. Die Gefahr kostenträchtiger Abmahnungen ist damit durchaus erheblich.
Und wie geht man damit um, wenn Klauseln mehrdeutig sind? Hier gilt mit dem BGH seit Jahrzehnten, dass die kundenfeindlichste Auslegung heranzuziehen ist, also im Zweifelsfall das für den Verwender ungünstige Ergebnis. Unklar formulierte AGB sind damit ein erhebliches Risiko. Und Vorsicht: Zwar gelten unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe bei Verwendung gegenüber Verbrauchern und Kaufleuten – was aber gegenüber Kaufleuten unwirksam ist, ist es indiziert auch gegenüber Kaufleuten mit dem BGH.
Von Relevanz ist auch das Transparenzgebot: So verstößt eine Allgemeine Geschäftsbedingung gegen das Transparenzgebot, wenn durch unklare, mehrdeutige oder unvollständige Fassung einer Klausel davon (möglicherweise) abgehalten wird, berechtigte Ansprüche oder Gegenrechte dem Verwender gegenüber geltend zu machen. Und mein persönliches Highlight in der modernen Rechtsprechung des BGH: Eine schlichte Übernahme gesetzlicher Begriffe reicht im Einzelfall nicht aus um hier Abhilfe zu schaffen. Vom Verwender können im Einzelfall sogar konkretere Formulierungen verlangt werden als sie im Gesetz verwendet werden!
Einbeziehung von AGB
Vorsicht ist auch geboten, wenn AGB versteckt einbezogen werden, also so dass die AGB insgesamt oder Teile davon gar nicht vom Vertragspartner wahrgenommen werden. Alleine aus dem grossen Umfang der AGB soll sich dies aber nicht ergeben. Mit dem BGH gilt: „Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen“.
Einzelne Klauseln
Es gibt einige Klassiker, in denen sich die Rechtsprechung weiter entwickelt hat:
Salvatorische Klausel
Die so genannte „Salvatorische Klausel“ möchte in einer speziellen Ausprägung in AGB normieren, dass bei einer ungültigen AGB eine „ähnliche Regelung“ Anwendung finden soll, die dem wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten am ehesten entspricht. Auch die Salvatorische Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Denn sie schränkt das nach § 306 Abs. 1 und 2 BGB grundsätzlich den Verwender treffende Risiko der Unwirksamkeit vorformulierter Vertragsbedingungen zum Nachteil der Verbraucher unangemessen ein. Das gilt inzwischen auch bei Formulierung „soweit gesetzlich zulässig“ oder „soweit keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen“.
Je nach Formulierung kann das bei AGB unter Unternehmern durchaus Bestand haben, ist aber bei Verwendung gegenüber Verbrauchern eine zu unbestimmte Klausel, die als unwirksame AGB keinen Bestand hat (ständige Rechtsprechung des BGH, dazu auch LG Hamburg, 327 O 441/06 sowie OLG Hamburg, 5 U 81/07 und LG Dortmund, 25 O 82/17)
Keine geltungserhaltende Reduktion
Unwirksame AGB sind auch nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion zu retten, also durch den Versuch, dass man sie bei der Auslegung bereits auf das noch zulässige Minimum reduziert – unwirksame AGB sind und bleiben unwirksam. Dazu finden Sie hier weitere Ausführungen und Beispiele.
Pauschalierter Schadensersatz
Natürlich kann Schadensersatz pauschaliert werden – aber nur unter Bedingungen, insbesondere wenn dem Vertragspartner der Nachweis eines höheren/niedrigeren Schadensersatzes ermöglicht wird. Dabei geht es nicht nur um den „üblichen Schadensersatz“, sondern z.B. auch „Mahnkosten“ (dazu nur das LG Kiel, 18 O 243/10, hier besprochen). Losgelöst davon müssen Sie Haftungsbeschränkungen der Höhe nach die sich am Auftragspreis orientieren immer kritisch sehen.
Haftungsbeschränkungen
Es ist durchaus möglich, in AGB die Haftung zumindest für einfache Fahrlässigkeit auszuschliessen oder beim Verkauf gebrauchter Sachen auf 1 Jahr zu beschränken. Wer es macht, muss aber die Ausnahmen beachten, die Gesetz und Rechtsprechung vorgeben – und da gibt es gleich mehrere. Wer nur schreibt „Keine Haftung für einfache Fahrlässigkeit“ hat im Regelfall eine ungültige AGB-Klausel. Die richtige Formulierung dieses Haftungsausschlusses ist alleine etwas für den Fachmann, da solche Klauseln differenziert sein müssen: Verbrennen Sie sich nicht die Finger daran. Allerdings sind etwa Haftungsbeschränkungen auf nur vertragstypische Schäden möglich, wobei Haftungsbeschränkungen der Höhe nach Abhängig vom Auftragspreis grundsätzlich kritisch zu sehen sind.
Nur nochmals zur Klarstellung: Freizeichnungen für die Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit sind nicht möglich, auch nicht bei einfacher Fahrlässigkeit.
Erfüllungsort und Gerichtsstandsvereinbarung
Die Vereinbarung des Erfüllungsorts verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist unangemessen, weil aus ihr mittelbar der Gerichtsstand (§ 29 ZPO) folgt. Wie sich aus der Wertung von § 38 ZPO ergibt, sind Gerichtsstandvereinbarungen nur im kaufmännischen Verkehr zulässig. Sie können in AGB bei einem Vertragsschluss mit einem Verbraucher also nicht entgegen der gesetzlichen Vorgabe regeln, wo Erfüllungsort und Gerichtsstand liegen sollen. Wenn Sie es doch versuchen, setzen Sie sich dem Risiko einer Abmahnung aus.
Genauso sollten Sie übrigens gegenüber Verbrauchern die Finger vom Gefahrübergang lassen: Beim Versendungskauf macht das Gesetz klare Vorgaben und jeder Versuch, zu früh die Preisgefahr übergehen zu lassen, wird im Sande verlaufen. Klauseln wie „Versand auf Risiko des Käufers“ sollten Sie daher weg lassen.
Doppelte Schriftformklausel
Die doppelte Schriftformklausel sieht im Regelfall so aus:
Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Das gilt auch für ein Absehen von der Schriftform.
Sowohl das Bundesarbeitsgericht (9 AZR 383/07) als auch der BGH (VIII ZR 155/99) betrachten eine solche Klausel aber als unwirksam, wenn dadurch die Gefahr besteht, dass Individualvereinbarungen (die gerade Vorrang vor AGB haben sollen) unterlaufen werden. Jedenfalls bei Verträgen mit Verbrauchern sollte man daher von dieser Klausel absehen. Im Verkehr mit Kaufleuten dagegen kann diese Klausel bestand haben (BGH, VIII ZR 97/74; I ZR 43/07). Wie immer kommt es aber auf die genaue Formulierung an.
Aufrechnungsverbot
Der Bundesgerichtshof (VII ZR 209/07) hat festgestellt, dass eine Klausel mit dem typischen Aufrechnungsverbot
„Eine Aufrechnung … ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig“
unwirksam ist. Hintergrund: Die Klausel benachteiligt den Vertragspartner unangemessen – nicht zuletzt, weil man ja jederzeit durch ein unangebrachtes Bestreiten einer an sich berechtigten Forderung die Aufrechnung torpedieren kann. Beim BGH ging es zwar um einen Architektenvertrag, aber letztlich wird die Klausel in jedem Vertragstyp unwirksam sein. Die Thematik des Aufrechnungsverbots in AGB habe ich nochmals gesondert dargestellt.
Es gibt viele gute Gründe, dafür zu sorgen, dass AGB-Klauseln und Vertragstexte möglichst stabil sind und wirksam formuliert sind. Genau so wichtig ist es aber auch, für den Fall der Fälle, den Streit, vorzusorgen – was erschreckend oft unterlassen wird. Angefangen von ungeregelten Umständen, wie man am besten und wirtschaftlichsten wieder auseinander geht – gerade bei dauerhafter Zusammenarbeit – bis zur Frage, wie man miteinander umgeht, wenn einfach etwas schief läuft. Klare Formulierungen eben dieser Streitfälle könnten viele Auseinandersetzungen vereinfachen.
Prüfen Sie Ihre Verträge: Ist geregelt, wie man schnell wieder auseinander gehen kann – und ist dieses Szenario für Sie auch bezahlbar bzw. wirtschaftlich vertretbar? Oder sind Sie möglicherweise längerfristig an einen Geschäftspartner zwangsgebunden?
Rechtsanwalt Jens Ferner
Fachanwalt für IT-RechtAllgemeines Vertragsrecht
Digitales Recht & Werberecht
Im digitalen Recht möchte ich nur allgemeine Hinweise geben, hier sind die gerichtlichen Entscheidungen zu vielschichtig und es fliessen auch zu viele Entwicklungen aus anderen Rechtsgebieten ein.
Es ist daran zu erinnern, dass auch Einwilligungen in Werbung AGB darstellen können und dies regelmäßig tun. Der BGH hat klargestellt, dass auch eine Einwilligung in Werbeanrufe per AGB erfolgen kann – die aber dann hinreichend transparent formuliert sein müssen. Darüber hinaus dürften datenschutzrechtliche Erklärungen sowohl nach DSGVO als auch nach AGB-Recht zu beurteilen sein, mit erheblichen Konsequenzen: Wenn eine Einwilligung unwirksam ist, etwa weil intransparent, droht der gesamten Verarbeitung personenbezogener Daten die Unwirksamkeit, was zu bussgeldbewährten datenschutzrechtlich relevanten Vorgängen führt. Von daher kann der Rat nur sein, dass überall dort, wo in Verträgen der Umgang mit personenbezogenen Daten geregelt wird und die älter als 1 Jahr sind, generell ein „Checkup“ durchgeführt werden sollte. Und wenn man personenbezogene Daten verarbeitet, im Vertrag hierzu aber nichts steht, gilt das erst Recht.
Im Software-Vertragsrecht sehe ich in den vergangenen Jahren in erster Linie, dass die bisherige rechtliche Lage nur weiter konturiert wurde. Gerade bei Service-Angeboten (SaaS/PaaS) unterschätzen viele Anbieter die im Raum stehenden erheblichen Pflichten, die hier mit dem anzuwendenden Mietrecht begründet werden. Im Bereich klassischer Webseiten-Erstellungen haben viele Anbieter unterschätzt, wie sich die DSGVO auf die Frage auswirkt, ob man für DSGVO-unkonforme Webseiten haftet als Ersteller. Die langsame Arbeit der Behörden lässt die Thematik weiterhin ruhen, es ist für mich absehbar, dass hier ein „böses Erwachen“ droht.
Die im Streitfall besonders teuren Fragen wie speziell „indirekte Nutzung“ und „Lizenzen im Insolvenzfall“ sind weiterhin durch den Gesetzgeber nicht abschliessend geklärt, hier sind klare vertragliche Regelungen sinnvoll (wobei grosse Anbieter nach dem Motto „Friss oder Stirb“ agieren).
Arbeitsrecht
Im Arbeitsrecht ist eine Vielzahl von Entwicklungen zu beobachten und ich möchte sagen: Wenn Vorlagen für Arbeitsverträge oder Aufhebungsverträge deutlich älter als 1 Jahr sind, wird in jedem Fall ein „Checkup“ sinnvoll sein. Einige wichtige Entwicklungen der Vergangenheit waren:
- Die Verfallsklausel in der früheren Fassung ist inzwischen unwirksam, wenn sie nicht konkret bezogen auf das Mindestlohngesetz formuliert ist (inzwischen gibt es allerdings relativierende BAG-Rechtsprechung)
- Pauschal zu vereinbaren „angefallene Überstunden und deren Zuschläge müssen auf Verlangen als Freizeit genommen“ ist ebenso unwirksam, vor allem wenn damit Mindestlohnansprüche unterlaufen werden
- Bei einem Arbeitgeberdarlehen ist das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Verantwortungsbereichen eindeutig zu regeln
- Der Trend geht zunehmend vom Dienstwagen zum Dienstfahrrad – hier ist gerade bei der beliebten Übernahmemöglichkeit zu beachten, dass es steuerlich richtig gehandhabt wird
- Ebenso kritisch und bei mir in der Praxis ein häufiger Problemfall: Fortbildungskosten werden für den Arbeitnehmer übernommen mit Zusage, dass das Arbeitsverhältnis eine gewisse Dauer aufrechterhalten bleibt. Auch hier müssen die Bedingungen klar umrissen sein.
Werkvertrag & Kaufvertrag
Hier ist viel Einzelfallrechtsprechung festzustellen, die Anlass gibt, beliebte Klauseln zu hinterfragen. So sollten Klauseln zu Vertragsstrafen ohnehin regelmässig einer Prüfung unterzogen werden, da der BGH hier gerne Grenzen zieht. Anders dagegen bei Haftungsbeschränkungen, hier wurden im letzten Jahrzehnt einige hilfreiche Entscheidungen des BGH bekannt, die durchaus Spielraum für gut formulierte AGB eröffnen. Doch auch hier gilt: Leichte Einschränkungen oder Grenzen mögen möglich sein, ernsthafte Haftungsbeschränkungen oder gar Ausschlüsse wird man in AGB nicht formuliert bekommen.
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit
Immer noch beliebt sind umfassende Klauseln zur Untersuchungs- und Rügeobliegenheit, um quasi durch die Hintertüre eine Haftungsverschiebung zu erreichen. Ausserhalb des kaufmännischen Verkehrs bringt das recht wenig, im kaufmännischen Verkehr ist daran zu denken, dass die konkreten Pflichten immer einer Abwägung im Einzelfall unterliegen – und durch AGB nur umrissen werden können. Wer es hier übertreibt riskiert unwirksame AGB.
Gewährleistung
Die Gewährleistung ist ein „heisses Eisen“: Ohne professionellen Rat sollte man als Laie zwingend die Finger davon lassen. Jeder Versuch der Einschränkung gegenüber Verbrauchern ist sinnlos und gefährlich. Weder kann man den Verbraucher zwingen, sofort Mängel zu rügen, noch kann man ihm gegenüber inhaltliche Einschränkungen, etwa zur Gewährleistungsfrist, machen.
Selbst scheinbar einfache Ansätze, wie die im BGB ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, die Gewährleistung bei gebrauchten Artikeln auf 1 Jahr zu beschränken, sind schwieriger als gedacht: Der Satz „Bei gebrauchten Artikeln gilt eine Gewährleistung von einem Jahr“ etwa ist im Regelfall, ohne ergänzende Zusätze, als AGB unwirksam und abmahnfähig, da diese Klausel weitgreifend ist und auch hinsichtlich von Bereichen gilt, wo eine Beschränkung nicht erfolgen darf. Der BGH (II ZR 340/14) fasst dies so zusammen:
Es entspricht (…) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass auch die generelle Verkürzung der Verjährungsfrist eine gem. § 309 Nr. 7b BGB unzulässige Haftungsbeschränkung darstellt, indem sie die Haftung auch für grob fahrlässig begangene Pflichtverletzungen mittelbar erleichtert
Dies gilt beim BGH insgesamt, die zitierte Entscheidung bezog sich auf die Prospekthaftung, ebenso wurde es im Reiserecht entschieden und natürlich beim Autokauf. Dabei gilt dieses Verbot sowohl gegenüber Verbrauchern als auch Unternehmen! Da der EUGH zwischenzeitlich klar gestellt hat, dass die frühere Regelung im BGB zur Beschränkung der Gewährleistung auf 1 Jahr bei gebrauchten Artikeln unwirksam ist, sollte hier ohnehin nachgebessert werden. Inzwischen gilt ganz klar: Eine AGB-Klausel über die Verkürzung gesetzlicher Verjährungsfristen bei gebrauchten Gütern darf auf keinen Fall den Eindruck der Verkürzung einer Nacherfüllungspflicht erwecken.
Darüber hinaus ist zu sehen, dass auch sonstige Änderungen im AGB-Recht mit Vorsicht zu sehen sind. So sind Abtretungsverbote von Gewährleistungsansprüchen kritisch zu sehen und auch eine Rügepflicht samt Frist von Mängeln ist gegenüber Verbrauchern nicht möglich.
Das war schon alles?
Es ist nicht möglich, eine umfassende Übersicht über die vertraglichen Entwicklungen der letzten Jahre hier zu bieten, ich habe mich bewusst auf einige „Schmankerl“ konzentriert um deutlich zu machen, dass man das Thema im Blick haben muss. Ich kann nur nochmals dafür werben, sich um seine Verträge zu kümmern: Obwohl dies bei der Generierung von Umsatz der wichtigste Punkt ist, weil jeglicher Umsatz rechtlich hierauf basiert, behandeln Unternehmen dies gerne Stiefmütterlich und geizen besonders hier gerne an erster Stelle. Mit fatalen Folgen, sobald Streit über Haftung, Leistungsmängel oder Kündigungen aufkommt.
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