Eine bemerkenswerte Entscheidung hat das Oberlandesgericht Köln (19 U 93/12) getroffen, die durchaus interessante Effekte für bestehende IT-Vertragsverhältnisse im Bereich der Software-Dienstleistungen haben wird. Im Kern ging es in der Sache um keine Besonderheit: Eine installierte Software zu einer Produktsimulation drohte den Dienst zu versagen (sie arbeitete auf Grund zunehmender Datenmengen immer langsamer) und gab dann letztlich den Dienst ganz auf. Der Softwaredienstleister stellte in Aussicht, dass eine durchzuführende „Optimierung“ das Problem zumindest einschränken und die Funktionsfähigkeit sichern würde, er veranschlagte hierzu hohe Kosten. Der Kunde bat um Behebung des Problems, aber im Zuge der Gewährleistung. Hinsichtlich eventuell entstehender Kosten wurde erst einmal ein Kostenvoranschlag angefordert, der aber nie folgte. Nachdem der Dienstleister seine „Optimierung“ ohne ausdrückliche Absprache über die Kosten ausführte und die Software wieder funktionierte, kam es zum Streit über die Vergütung.
Unbestellte Dienstleistung im Bereich der IT als Geschäftsführung ohne Auftrag
Das OLG Köln sprach die Vergütung zu – im Zuge der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Das bedeutet, ein Vertragsschluss über die Arbeiten ist nicht notwendig. Gerade weil ein Vertragsschluss nicht vorlag, die Arbeiten aber im Interesse des Kunden lagen, bietet sich hier die Abwicklung über das Institut der GoA an. Streitig konnte an dem Punkt der notwendige „Fremdgeschäftsführungswille“ sein. Dieser wurde vom OLG hier bejaht, auch wenn man unstreitig davon ausgehen kann, dass der Dienstleister in (auch) eigenem Interesse handelte:
Die Klägerin handelte auch mit Fremdgeschäftsführungswillen. Ihr Wille, gleichzeitig eine vertragliche Verpflichtung erfüllen zu wollen, steht dem nicht entgegen. Denn auch der Klägerin war bewusst, dass die Beklagte auf die Funktionsfähigkeit des Systems angewiesen war. Es war erkennbar gerade auch ein Anliegen der Klägerin, der Beklagten hier zu helfen und im Interesse der Beklagten das System schnellstmöglich wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen. Die Klägerin hat hinsichtlich der insoweit erforderlichen Arbeiten gerade nicht ausschließlich aus eigenem Vergütungsinteresse gehandelt.
Hinsichtlich der Vergütung lief es beim OLG dann wie folgt:
Die Klägerin kann die zur Führung des Geschäfts erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen. Der Wert dieser Aufwendungen entspricht der marktüblichen Taxe, die sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte und mangels konkreten Bestreitens der Angemessenheit der klägerischen Rechnung, auf die in Rechnung gestellten 10.605,14 € belaufen.
Das LG Aachen sah es noch anders…
Ganz anders sah es noch das Landgericht Aachen (1 O 527/11), das zu einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch Zweifel anmeldete:
Weiterhin kann die Klägerin die von ihr geltend gemachte Vergütung auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen. Es besteht weder ein Anspruch aus den §§ 677, 683, 670 BGB noch aus den §§ 677, 684 BGB. Hier fehlt es bereits an einem Fremdgeschäftsführungswillen. Dieser liegt nur vor, wenn jemand ein Geschäft nicht nur für sich selbst, sondern mindestens auch als fremdes besorgt (Palandt-Sprau, BGB, 71. Auflage 2012, § 677 Rn. 3). Dass die Klägerin hier aber nur für sich selbst handeln wollte, ergibt sich daraus, dass der Mitarbeiter der Klägerin die von ihm ausgeführte Optimierung als Betreuungsleistung angesehen hat und dies gegenüber der Beklagten auch zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Anlage K 8, Bl. 68 d.A.). Es deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin ausschließlich ihre eigene Leistung zum Erhalt der mit der Klage geltend gemachten Vergütung erbringen wollte und nicht einmal zum Teil ein Geschäft der Beklagten führen wollte.
Darüber hinaus liegen die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch aus §§ 677, 683, 670 BGB nicht vor, da die Geschäftsführung weder dem wirklichen noch dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprach. Diese hatte bereits ein Jahr zuvor klar zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Optimierung der Simulation wünschte. Auch in dem Email-Verkehr lehnte sie, als sie am 29.07.2008 gefragt wurde, ob die Klägerin mit der Optimierung der Simulation „weitermachen“ solle, dies ab. Selbst wenn sie eine Beseitigung der Funktionsstörung anstrebte, wollte sie sich die Entscheidung für die Durchführung der Simulation vorbehalten. Dies ergibt sich auch aus der Bitte um Erstellung eines Kostenvoranschlags. Selbst ein mutmaßlicher Wille kann deshalb nicht angenommen werden.
Fazit: Klare Absprachen sind zu bevorzugen
Die Entscheidung zeigt, dass im Alltag mit Vorsicht gehandelt werden muss – es besteht bei Streit und erfolgten nicht beauftragten Maßnahmen durch den IT-Dienstleister für den Kunden, auf beachtlichen Kosten „sitzen zu bleiben“. Vorliegend war letztlich mit ausschlaggebend, dass der Kunde selbst klar gestellt hat, dass die Instandsetzung in seinem Interesse war, als er Nachbesserung wünschte (wenn auch im Zuge der Gewährleistung). Dass man ausdrücklich die Klärung der Kosten wünschte, war unschädlich. Wer seinen IT-Dienstleister auffordert, ein nicht funktionierendes System instand zu setzen, sieht sich damit erst einmal der grundsätzlichen Gefahr ausgesetzt, Kosten tragen zu müssen, die man gar nicht „blind“ eingehen wollte.
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