Vorsicht, wer nur den Titel des Gesetzentwurfs liest, der begeht den schweren Fehler es als Spezialmaterie abzutun. Denn hinter dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ steckt keineswegs ein kleines Reförmchen das sich im Schwerpunkt auf das Baurecht spezialisiert. Vielmehr geht es um tiefgreifende Änderungen in der Struktur des Schuldrechts BT und des Kaufrechts mit kleineren Änderungen im Werkvertragsrecht. Ein Blick vorab kann sich lohnen.
Update: Der Bundesrat hat noch Nachbesserungswünsche im April 2016 geäussert, dazu das Plenarprotokoll (S. 169) und ein Bericht bei Haufe. Insbesondere die Position von Handwerkern soll nachgebessert werden.
Neue Vertragstypen
Der Gesetzgeber ist offenkundig der Auffassung, dass die bisherigen Vertragstypen im BGB nicht mehr ausreichend sind. Nach der Einführung eines allgemeinen „Verbrauchervertrages“ folgte der „Behandlungsvertrag„. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es weiter, nun stehen die Schöpfungen weiterer Vertragstypen an:
- Bauvertrag
- Verbraucherbauvertrag
- Architektenvertrag und Ingenieurvertrag
- Bauträgervertrag
Es spricht dabei – mal wieder – für die „Sorgfalt“ gesetzgeberischer Schaffenskraft der heutigen Zeit, dass man zwar im AT einen „Verbrauchervertrag“ hat, gleichwohl im BT dann immer noch einen „Verbraucherbauvertrag“ schafft. Der frühere Gesetzgeber, der das BGB erfunden hat, hätte wohl eher im BT den „Bauvertrag“ wie nun vorgesehen geschaffen und alle allgemeinen Regeln für Verbraucher in abstrakter Form in den vormals geschaffenen „Verbrauchervertrag“ geschoben. Vielmehr kristallisiert sich heraus, dass man in Zukunft ein „Verbraucherrecht AT“ und mehrere Verbraucherrechte BT haben wird – so ist etwa auch an die Besonderheit des Verbrauchsgüterkaufs in den §§475ff. zu denken.
Davon, dass man die durchdachte Struktur des BGB auch im Ausruck verhunzt indem man immer häufiger ganze Arien von Zahl-Buchstaben-Kombinationen bei den Paragraphen einführt fange ich schon gar nicht mehr an – aktuell soll der §650 BGB dann bis zum Buchstaben „u“ runter gehen.
Kaufrecht: Ausbaukosten sollen immer zu tragen sein
Zur Erinnerung: Mit dem aktuellen §439 BGB und der zugehörigen Rechtsprechung des EUGH und BGH gilt, dass verschuldensunabhängig von dem Verkäufer die Ausbaukosten einer eingebauten mangelhaften Sache gegenüber einem Verbraucher zu tragen sind, gegenüber einem Unternehmer aber nicht. Es geht u.a. um die berühmten Fliesenlegerfälle, in denen sich ein Mangel erst nach dem Einbau zeigt, ein Veschulden des Fliesenlegers aber nicht vorliegt sondern wenn, dann eines des Lieferanten des Fliesenlegers oder gar erst des Herstellers der Fliesen.
Dies möchte der Gesetzentwurf nun ändern, indem diese verschuldensunabhängige Haftung immer, also gegenüber Verbrauchern und Unternehmern, besteht. Dazu soll der §439 BGB wie folgt abgewandelt werden:
Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Ver- wendungszweck in eine andere Sache eingebaut, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den erforderli- chen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelie- ferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer die hierfür erforderli- chen Aufwendungen zu ersetzen. Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung verändert, ist der Verkäu- fer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den veränderten Zustand wiederherzustellen oder dem Käufer die hierfür erfor- derlichen Aufwendungen zu ersetzen.
Um den Verkäufer hier nicht alleine zu lassen, wird im neuen §445a dann eine Rückgriffmöglichkeit auf den Lieferanten (nach dem Vorbild des §478 BGB) geschaffen. Dies aber unter der aus §478 BGB bekannten Einschränkung, dass der Rückgriff nur möglich ist, „wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war.“ Da bieten sich lustige prozessuale Streitigkeiten zur Beweislast an. Der §478 wird übrigens am Ende kupiert und verweist auf den §445a BGB, anstelle von Beginn an den §478 BGB umfassend umzuschreiben. Der moderne Gesetzgeber mag offenkundig neue Paragraphen mit Buchstaben lieber als sauber strukturierte Gesetze.
Die §§474, 475 werden dann neu strukturiert und nur in Details angepasst, vor allem soweit es im Hinblick auf die Neufassung des §439 BGB notwendig ist. Aber Vorsicht: Im neuen §475 Abs.6 BGB versteckt sich eine einklagbare Vorschusspflicht des Unternehmers im Fall des Ausbaus der mangelhaften Sache durch den Vertragspartner.
Änderungen im Werkvertragsrecht
Der §632a BGB wird in Details geändert, die interessante Auswirkungen haben: Absatz 1 Satz 1 und 2 werden ersetzt durch folgenden Text
Der Unternehmer kann von dem Besteller eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen. Sind die erbrachten Leistungen nicht vertragsgemäß, kann der Bestel- ler die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern. Die Beweislast für die vertragsgemäße Leistung verbleibt bis zur Abnahme beim Unter- nehmer.
Es fällt damit weg, dass bei unwesentlichen Mängeln nicht mehr gekürzt werden kann. Dafür kommt nun ausdrücklich hinzu, dass die Beweislast für vertragsgemäße Leistung beim Unternehmer verbleibt. Das hat – anders als der Titel des Gesetzentwurfs behauptet – nicht nur Auswirkungen im Baurecht, sondern im Werkvertrag allgemein, also insbesondere auch im Softwarerecht, sofern man bei Individualsoftware das Werkvertragsrecht zur Anwendung bringt. Hier entsteht ein massives Druckmittel des Bestellers gerade in den Sparten, in denen ein solcher Beweis nur langwierig und kostenintensiv durch Sachverständige erbracht werden kann.
Abnahme bei unterlassener Mängelrüge
Die automatische Abnahme tritt nach der Vorstellung des Gesetzentwurfs auch ein, wenn innerhalb der gesetzten Abnahmefrist keine Mängelrüge des Bestellers erhoben wird:
Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Vollendung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe von Mängeln verweigert hat.
Kündigungsrecht bei unterlassender Mitwirkung
Durchaus zu begrüßen ist, dass die unnötige Formalie der Kündigungsandrohung im §643 endlich verschwindet, anwaltlich nicht beratene Werkunternehmer hatten hier ständig Fehler gemacht:
Der Unternehmer ist im Fall des § 642 berechtigt, dem Besteller zur Nachholung der Handlung eine angemessene Frist zu bestimmen. Wird die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen, kann der Unternehmer den Vertrag kündigen.
Zugleich aber auch vorsichtig sein: Es wird ein neuer §648a BGB eingefügt, der ein Sonderkündigungsrecht nun ausdrücklich (neben dem bisherigen allgemeinen §314 BGB) im Werkvertrag normiert. Dabei sehe ich im Vergleich zum §314 BGB zwei wichtige Abweichungen: Zum einen wird im Absatz 3 eine Mitwirkungspflicht beider Seiten zur Feststellung des Leistungsstandes normiert. Im Absatz 4 wird dann in Abweichung zu §649 BGB festgelegt, dass über die tatsächliche Leistungserbringung hinaus kein Vergütungsanspruch besteht.
Bauverträge
Die Normierung der Bauverträge und Verbraucherbauverträge dient der Schaffung des neuen Vertragstypus mit einigen Sonderregelungen für Verbraucher. Es werden Belehrungs- und Informationspflichten normiert, dem Verbraucher steht ein umfassendes Widerrufsrecht zur Seite bei Bauverträgen. Zudem sollen zu leistende Abschläge der Höhe nach auf maximal 90% des Gesamtbauvolumens beschränkt sein, wobei die Kündigung in Schriftform notwendig ist. Im Übrigen werden Gegenseite Rechte und Pflichten normiert, hier genügt der Blick in den Gesetzentwurf um einen Eindruck zu erlangen, ich sehe bewusst von ausschweifender Darstellung ab.
Änderungen bei AGB und Unterlassungsansprüchen
Natürlich folgen auch Änderungen im Bereich AGB und bei den Unterlassungsansprüchen: Zu hohe Abschlagszahlungen (§309 Nr.15) sind ebenso unzulässig wie eine Abwälzung der Ausbaukosten (§309 Nr.8 cc). Verstöße können nach dem UKlaG verfolgt werden.
Anmerkung: Auch wieder schlechte Arbeit des Gesetzgebers, diese Änderungen sind vollständig überflüssig. Zum einen ist mit dem BGH jedes Abweichen in AGB von strikter gesetzgeberischer Vorlage ohnehin unwirksam, zum anderen sind Verstöße in AGB mit dem BGH per se als Wettbewerbsverstoss zu verfolgen.
Architektenvertrag und Ingenieurvertrag
Soweit nun gesetzlich neu der Architektenvertrag und Ingenieurvertrag normiert wird, handelt es sich um einen kurzen Abschnitt. Hier werden u.a. Vertragsinhalt, Sonderkündigungsrecht und anwendbare Vorschriften aus dem Bauvertrag normiert. Wichtig ist, dass der Gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Bauunternehmer ein formeller Schritt des Bestellers in Form einer Inkenntnissetzung voranzugehen hat.
Bauträgervertrag
Auch dies möchte ich hier kurz machen: Hier werden Normen von der Anwendung ausgeschlossen, die Informationspflicht dahin verschärft, dass die Baubeschreibung bereits bei Aufnahme der Vertragsverhandlungen zu übergeben ist.
Erstes Fazit
Ich mache keinen Hehl daraus, was ich von der schlechten Arbeit des modernen Gesetzgebers halte, der zunehmend das BGB zumindest in seiner Form verhunzt. Losgelöst davon muss der aktuelle Gesetzentwurf für jeden Vertragsrechtlicher im Auge behalten werden, da mit ihm massive Änderungen nicht nur im Kaufrecht, sondern auch im Werkvertragsrecht einhergehen. Diese Änderungen werden sich weit ausserhalb des Baurechts auswirken, bis hinein in das IT-Vertragsrecht und Softwarerrecht – man denke etwa an Umrüstungskosten von Software in technischen Anlagen, insbesondere wenn Opensource-Lösungen modular zum Einsatz kommen. In einem ersten Eindruck sehe ich massive Auswirkungen im Bereich der Gewährleistungen mit immensen Kosten für die Industrie. Wie immer gilt: Earten wir es ab.
Link dazu: Kritische Stellungnahme bei CMSHH-Bloggt speziell zum neuen §439 BGB
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