In der Entscheidung vom 19. Juli 2012 (Az. I ZR 70/10) hat der Bundesgerichtshof (BGH) grundlegende Fragen zur Rückfallklausel im Urheberrecht und zum Fortbestand von Unterlizenzen nach Beendigung der Hauptlizenz behandelt. Die Entscheidung ist besonders relevant für die Praxis der Lizenzvergabe und die rechtliche Sicherheit von Unterlizenznehmern.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Softwareunternehmen, hatte mit der M. Product & Service NetCom GmbH (M. NetCom) einen mündlichen Nutzungsvertrag über die Computerprogramme „M2Trade“ und „4GL“ geschlossen. Diese Programme wurden an verschiedene Tochterunternehmen der M.-Gruppe weiterlizenziert, darunter auch die Schuldnerin. Nachdem die M. NetCom seit Februar 2002 keine Lizenzgebühren mehr gezahlt hatte, kündigte die Klägerin die Lizenzverträge zum 30. Juni 2002. Über das Vermögen der M.-Gruppe, einschließlich der M. NetCom und der Schuldnerin, wurde am 1. Juli 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Rechtliche Analyse
Der BGH entschied, dass mit der Kündigung des Hauptlizenzvertrages durch die Klägerin das eingeräumte Nutzungsrecht ipso iure an die Klägerin zurückfiel. Dies folgt der herrschenden Meinung im Urheberrecht, wonach im Verhältnis zwischen Urheber und Verwerter das eingeräumte Nutzungsrecht mit dem Wegfall des Lizenzvertrages automatisch an den Urheber zurückfällt. Das Gericht stellte jedoch klar, dass das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zwangsläufig zum Erlöschen der Unterlizenz führt, wenn der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt.
Entscheidung des BGH
Der BGH führte aus, dass das Interesse des Unterlizenznehmers am Fortbestand seines Nutzungsrechts das Interesse des Hauptlizenzgebers an einem Erlöschen dieses Rechts überwiegt. Beim Erlöschen der Hauptlizenz hat der Hauptlizenzgeber gegen den Hauptlizenznehmer einen Anspruch auf Abtretung der gegen den Unterlizenznehmer bestehenden Lizenzansprüche. Dies bedeutet, dass der Hauptlizenznehmer nach Erlöschen der Hauptlizenz die weiterhin vom Unterlizenznehmer zu zahlenden Lizenzgebühren an den Hauptlizenzgeber abtreten muss.
- Ein urheberrechtliches Nutzungsrecht, das der Lizenzgeber einem Lizenznehmer eingeräumt hat, fällt im Regelfall, in dem die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben, mit der Beendigung des Lizenzvertrages ipso iure an den Lizenzgeber zurück (Aufgabe BGH, 15. April 1958, I ZR 31/57, BGHZ 27, 90, 95 f. – Die Privatsekretärin).
- Das Erlöschen der Hauptlizenz führt in aller Regel auch dann nicht zum Erlöschen der Unterlizenz, wenn der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen (hier: Kündigung des Hauptlizenzvertrages wegen Zahlungsverzugs) erlischt (Fortführung BGH, 26. März 2009, I ZR 153/06, BGHZ 180, 344 – Reifen Progressiv).
- Beim Erlöschen der Hauptlizenz hat der Hauptlizenzgeber gegen den Hauptlizenznehmer einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB auf Abtretung des gegen den Unterlizenznehmer bestehenden Anspruchs auf ausstehende Lizenzzahlungen.
Fazit
Diese Entscheidung stärkt die Position von Unterlizenznehmern und stellt sicher, dass ihre Nutzungsrechte auch nach Beendigung der Hauptlizenz bestehen bleiben, solange sie ihre Lizenzgebühren weiterhin zahlen. Dies bietet eine höhere rechtliche Sicherheit und fördert das Vertrauen in Lizenzvereinbarungen. Für Lizenzgeber bedeutet dies, dass sie im Falle der Beendigung des Hauptlizenzvertrages einen Anspruch auf die laufenden Lizenzgebühren des Unterlizenznehmers haben, was ihre wirtschaftliche Position schützt.
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