Der Erschöpfungsgrundsatz

Erschöpfungsgrundsatz: Der Erschöpfungsgrundsatz hat eine besondere Bedeutung, da er nicht unerheblich in die Möglichkeiten der Kontrolle von Rechteinhabern eingreift. Speziell im Bereich des Handelns mit gebrauchter Software hat er eine spezielle Wirkung entfaltet.

Im Folgenden kurz einige Zeilen zur Erörterung und Erläuterung, worum es sich beim Erschöpfungsgrundsatz handelt.

Was ist der Erschöpfungsgrundsatz?

Normalerweise ist jeder Herr der jeweiligen Nutzungsrechte an seinen Werken. Aber es gibt einen so genannten “Erschöpfungsgrundsatz”, der hier Schranken zieht. Ein solcher Erschöpfungsgrundsatz ist u.a. für das Urheberrecht vorgesehen (§17 UrhG) und auch für das Markenrecht (§24 MarkenG).

Der “Erschöpfungsgrundsatz” besagt, dass nach dem willentlichen Inverkehrbringen das Recht der Allgemeinheit an dem Produkt, das nun Teil des Geschäftsverkehrs ist und hier genutzt werden können muss, dem ursprünglich ausschließlichen Nutzungsrecht (genauer: Verwertungsrecht) des Berechtigten vorgeht. Es geht also darum, dass die umstrittenen, angebotenen Waren von dem Rechteinhaber oder mit dessen Zustimmung in der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden sind. Insbesondere wenn etwa Marken für Produkte benutzt wurden, die zulässig in der Europäischen Union in Verkehr gebracht wurden. Bildlich ausgesprochen geht es darum, dass nicht jemand sein Produkt auf dem Markt wirft, und dann (aus einer Laune heraus) plötzlich bestimmten kann, dass diese Produkte doch nicht von Händler X verkauft werden dürfen. Ein geordneter Geschäftsverkehr wäre sonst eher schwer umzusetzen.

Einschränkungen des Erschöpfungsgrundsatzes

Es gibt einige Einschränkungen bei der Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes.

Regionale Beschränkung

Der Erschöpfungsgrundsatz wird durch eine bedeutende regionale Begrenzung eingeschränkt: Er greift nur dann, wenn das jeweilige Produkt willentlich durch den Rechteinhaber in den Warenverkehr der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingeführt wurde. Wenn also in den USA oder in Asien etwas eingekauft wird und dann ohne Zustimmung des Rechteinhabers in die EU verbraucht wird, greift der Erschöpfungsgrundsatz nicht.

Dingliche oder vertragliche Beschränkung

Ich versuche das an dieser Stelle möglichst verständlich zu halten. Wenn man es genau nimmt, muss man noch darauf eingehen, dass man Beschränkungen vorsehen kann, die dann einmal schuldrechtlich (durch Vertrag) und dann einmal dinglich (der Sache anhaftend) vorgesehen werden können. Dabei sind dingliche Beschränkungen, die gegenüber jedermann wirken würden, nur bei eigenständigen Nutzungsarten möglich.

Streitpunkte beim Erschöpfungsgrundsatz

Es gibt eine Vielzahl von Streitpunkten, wobei inzwischen geklärt ist, dass gebrauchte Software grundsätzlich verkauft werden darf, wobei Erschöpfung hier auch hinsichtlich rein digitaler Kopien eintreten kann. Interessant ist auch die noch nicht abschliessend geklärte Frage des Vertriebsverbots für Plattformen, wenn also ein Hersteller untersagen möchte, seine Produkte auf bestimmten Plattformen anzubieten (dies fällt aber eher ins Kartellrecht, wenn es nämlich um Verkäufer geht die unmittelbar beim Hersteller einkaufen bzw. erstmalig die Ware in den Verkehr einführen).

Vermeidung von Werbung eines Wiederverkäufers

Der Inhaber des Markenrechts kann sich dem weiteren Vertrieb von Waren widersetzen, wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Ein solcher berechtigter Grund liegt vor, wenn durch die konkrete Verwendung die Herkunfts- und Garantiefunktion seines Zeichens verletzt oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird.

Für das einer Erschöpfung des Markenrechts entgegenstehende berechtigte Interesse des Markeninhabers, sich der Werbung eines Wiederverkäufers zu widersetzen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Form dieser Werbung in der Branche des Wiederverkäufers unüblich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob die konkrete Werbung die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt, ihre Unterscheidungskraft ausnutzt oder ihren Ruf beeinträchtigt (BGH, I ZR 221/16).

Berechtigte Interessen des Markeninhabers

Eine weitere Ausnahme sind berechtigte Interessen: Der Inhaber des Markenrechts kann sich einem weiteren Vertrieb von Waren widersetzen, soweit berechtigte Gründe dies rechtfertigen. Ein solcher Fall ist insbesondere anzunehmen, wenn sich der Zustand der betreffenden Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert hat – oder wenn durch die konkrete Verwendung die Herkunfts- und Garantiefunktion des Zeichens verletzt oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Es ist also eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Markeninhabers und des Wiederverkäufers vorzunehmen, wobei auf der Seite des Markeninhabers dessen Interesse zu berücksichtigen ist, gegen Wiederverkäufer geschützt zu sein, die seine Marke in rufschädigender Weise nutzen, während auf der Seite des Wiederverkäufers dessen Interesse zu beachten ist, die betreffende Ware unter Verwendung einer für seine Branche üblichen Werbeform weiterveräußern zu können:

Für das einer Erschöpfung des Markenrechts entgegenstehende berechtigte Interesse des Markeninhabers, sich der Werbung eines Wiederverkäufers zu widersetzen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Form dieser Werbung in der Branche des Wiederverkäufers unüblich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob die konkrete Werbung die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt, ihre Unterscheidungskraft ausnutzt oder ihren Ruf beeinträchtigt.

BGH, I ZR 221/16
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT-Recht)

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