Das Landgericht Bonn, 10 O 296/19, hatte sich mit der Frage zu befassen, wie zu verfahren ist, wenn eine agile Softwareentwicklung scheitert und das Projekt trotz bereits erbrachter Leistungen abgebrochen werden soll. In diesem Fall ging es um die Frage, ob ein Rücktritt vom Vertrag möglich ist. Das Landgericht kam in diesem Fall zu dem Schluss, dass der Kläger durch den erklärten Rücktritt nicht von dem gesamten Vertrag zurücktreten und Rückabwicklung auch hinsichtlich der bereits erbrachten und vergüteten Teilleistungen (Inkrements) verlangen konnte.
Rücktritt von Software-Projekt wegen Dokumentationsmängeln weiterlesenKategorie: Softwarerecht
Blog zum Softwarerecht: Rechtsanwalt Jens Ferner, Fachanwalt für IT-Recht, steht im Softwarerecht im Raum Aachen und Heinsberg zur Verfügung – nicht nur mit dem Blick eines Rechtsanwalts, sondern auch mit den Augen des Programmierers: Rechtsanwalt Jens Ferner war vor seiner Zeit als Rechtsanwalt als PHP/C/mySQL-Programmierer aktiv. Daher kennt er nicht nur die juristische, sondern auch die alltägliche Seite von Entwicklern, Programmierern und (kleinen) Softwareschmieden. Vor diesem Hintergrund sind seine Arbeit aber auch seine Artikel nicht mit der vielleicht zu erwartenden Alltagsfremdheit eines Juristen geprägt. Rechtsanwalt Ferner berät Unternehmen im Softwarerecht
Zustimmungspflichtige Nutzung bei Einsatz von Software im Cloud-Computing?
Das OLG Frankfurt (11 U 36/18) hat zu der Frage Stellung genommen, ob eine Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG auch dann vorliegt, wenn die Nutzung einer Software im Wege des Cloud Computing zu einer (technischen) Vervielfältigung nicht auf Rechnern im Bereich des Nutzers, sondern auf fremden Servern führt, die sich im Einflussbereich des Nutzungsberechtigten befinden.
Diese Frage ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. In der Literatur wird hierzu teilweise die Auffassung vertreten, dass keine Vervielfältigung durch den Nutzer vorliegt, wenn der zugreifende Client keine Kopie in den Arbeitsspeicher seines Rechners erhält oder eine Vervielfältigung des Programms ausschließlich auf dem Server des Diensteanbieters erfolgt.
Grundsätzlich stellt das Laden eines Programms in den Arbeitsspeicher eines anderen Computers nach allgemeiner Auffassung eine Vervielfältigung im Sinne von § 69c Nr. 1 UrhG dar. Tragender Gedanke ist dabei, dass durch dieses Laden eines Programms in den Arbeitsspeicher eines Computers eine weitere Nutzung des Programms durch weitere Programmkopien ermöglicht wird.
Das OLG ist nun der Auffassung, dass die Beantwortung der Frage, ob beim Cloud Computing eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung vorliegt, nicht allein davon abhängig gemacht werden kann, in wessen Einflussbereich sich der Computer befindet, auf dem die Vervielfältigung erfolgt.
Nach § 69c Nr. 1 Satz 2 UrhG ist die Zustimmung des Rechtsinhabers immer dann erforderlich, wenn das „Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern“ des Programms eine Vervielfältigung erfordert. Das Vervielfältigungsrecht gehört zu den grundlegenden Verwertungsrechten des Urhebers (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG). Eine Vervielfältigung hat grundsätzlich zur Folge, dass das Vervielfältigungsstück in gleicher Weise wie das Werk selbst genutzt (z.B. betrachtet, gelesen, gehört ….) werden kann. Sie ermöglicht also einen zusätzlichen Werkgenuss.
Vor diesem Hintergrund ist auch die ratio des § 69c Nr. 1 UrhG zu sehen: Der bloße „Werkgenuss“ stellt auch bei Computerprogrammen keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung dar. Hat ein Nutzer ein Programm rechtmäßig erworben und stationär auf seinem eigenen PC installiert, so wird kein Urheberrecht verletzt, wenn er einen Dritten auf diesem PC mit diesem Programm arbeiten lässt, ebenso wenig, wenn er einen Dritten dort einen von ihm erworbenen Film ansehen lässt (das OLG verweist insoweit auf BGH, I ZR 139/89). Urheberrechtlich relevant wird die Nutzung durch den Dritten erst dann, wenn diesem durch eine Vervielfältigung des Programms eine weitere Nutzung ermöglicht wird. Dieser Gesetzeszweck greift nach Auffassung des OLG aber unabhängig davon ein, in wessen Sphäre die für die zusätzliche Nutzung erforderliche Vervielfältigung erfolgt.
Urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Computerprogramms
Das OLG Frankfurt (11 U 36/18) hatte Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, wann ein Computerprogramm urheberrechtlich schutzfähig ist, was das Vorliegen eines individuellen Werks in dem Sinne voraussetzt, dass es das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung seines Urhebers ist (§ 69a Abs. 3 UrhG).
Urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Computerprogramms weiterlesenGebrauchte Software: Beweislast bei wettbewerbswidriger Bewerbung von Produktschlüsseln
Die Unrichtigkeit einer beanstandeten Werbeaussage ist eine anspruchsbegründende Tatsache, die grundsätzlich vom Anspruchsteller zu beweisen ist. Vor dem Hintergrund des Art. 7 der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung können dem Kläger jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute kommen, soweit es sich um Tatsachen handelt, die in den Verantwortungsbereich des Werbenden fallen.
Gebrauchte Software: Beweislast bei wettbewerbswidriger Bewerbung von Produktschlüsseln weiterlesenPflichten bei Überlassung von Standardsoftware
Das OLG München (20 U 3236/22 e) hatte Gelegenheit, sich anlässlich der fristlosen Kündigung eines Software- und Lizenzabonnements zu den Pflichten eines Anbieters von Standardsoftware zu äußern.
Pflichten bei Überlassung von Standardsoftware weiterlesenFehlende Zugangsdaten als Mangel der Software?
Man sollte schon genau hinsehen, was im Vertrag über die Softwarenutzung steht – ansonsten kann passieren, was beim Landgericht Passau aufschlug:
Wesentliche Mängel an der Software trägt der Beklagte nicht vor. Sein Einwand besteht lediglich darin, ihm seien wesentliche Zugangsdaten, die ihm das Betreiben der Software auf einem eigenen Server ermöglichten, nicht herausgegeben worden. Außerdem könne er die Software nicht entsprechend weiterentwickeln, sodass sie auch ohne Verbindung mit einer Onlineterminverwaltung (der Klägerin oder eines anderen Anbieters) funktioniere, ohne dass ihm entsprechende Daten zur Verfügung gestellt würden.
Maßgebliche Mängel der Software hat der Beklagte damit nicht aufgezeigt. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag verhält sich eindeutig dazu, dass ohne zusätzliche Anpassungen (die im Vertrag nicht enthalten waren), das Tool zunächst nur in Verbindung mit der Onlineterminverwaltung Termin online buchen des Auftragnehmers bezogen werden kann (Ziffer 6 des Vertrages). Diesen vereinbarungsgemäßen Zustand hat die Klägerin auch nach dem Vortrag des Beklagten geliefert.
LG Passau, 4 O 195/21
Cheat-Software: BGH legt dem EUGH Frage zum Schutzbereich eines Computerprogramms vor
Mit Spannung war die Entscheidung des BGH (I ZR 157/21) erwartet worden, nun ist klar, dass es eine Vorlage an den EUGH geworden ist!
Der BGH fragt beim EUGH an:
- Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art.1 Abs.1 bis3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
- Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
Der BGH macht in seiner Anfrage deutlich, dass er sowohl nach dem Wortlaut der in der Richtlinie 2009/24/EG getroffenen Regelungen als auch mit Blick auf den Regelungszusammenhang und die Entstehungsgeschichte von einer Auslegung des Begriffs des Computerprogramms ausgeht, die sich am Quell- und Objektcode als Ausdrucksform des vom Programmentwickler (Urheber) geschaffenen eigenpersönlichen Werks orientiert – und damit eine bloße Beeinflussung der während eines Spiels im Arbeitsspeicher des Computers erzeugten variablen Daten nicht erfasst!
Für die rechtlich zunehmend umstrittene Thematik der Cheat-Software ist von Bedeutung, dass der BGH ausdrücklich Zweifel daran äußert, ob der von dem angestrebten Ziel der Gestaltung eines unterhaltsamen Spielablaufs geprägte Wille des Programmentwicklers, nur die während des Programmablaufs gemäß den Spielregeln anfallenden variablen Daten zur Grundlage von Programmbefehlen zu machen, bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Computerprogramms berücksichtigt werden kann.
Klärungsbedürftig ist auch die Reichweite des Begriffs der Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2009/24/EG. Fraglich ist, ob diese Vorschrift dahin auszulegen ist, dass eine Umarbeitung vorliegt, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung geändert wird, sondern ein anderes Programm, das gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm abläuft, den Inhalt von Variablen ändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Programmablauf verwendet.
Der BGH stellt sich klar gegen die Auffassung, die für eine Umarbeitung stets einen Eingriff in den Quell- oder Objektcode und in diesem Sinne in die Substanz des Computerprogramms für erforderlich hält. Denn, so der BGH: Bereits der Wortlaut „Umarbeitungen“ spricht – ebenso wie der in der englischen Sprachfassung verwendete Begriff „alteration“ – dafür, dass eine Einwirkung auf den Quell- oder Objektcode erforderlich ist und eine bloße Beeinflussung etwaiger variabler Funktionsergebnisse, die im Zuge des Programmablaufs erzeugt werden, nicht ausreicht. Etwas anderes dürfte allerdings gelten, wenn der Gerichtshof der Europäischen Union im Hinblick auf die erste Vorlagefrage solche Funktionsergebnisse als Teil des urheberrechtlichen Schutzes des Computerprogramms ansehen sollte. In diesem Fall läge in der hier in Rede stehenden Einflussnahme auf den Inhalt der Variablen auch ein verändernder Eingriff in das Computerprogramm.
KI-Verordnung: EU reguliert Einsatz künstlicher Intelligenz
KI-Verordnung (KI-VO, auch AI-Act): Die EU möchte Entwicklung und Einsatz künstlicher Intelligenz regulieren. Hierzu liegt inzwischen ein Vorschlag für eine Verordnung über ein europäisches Konzept für Künstliche Intelligenz vor, wobei aus meiner Sicht zuvorderst besonders spannend die Frage sein dürfte, was man überhaupt unter künstlicher Intelligenz verstehen möchte.
Im Übrigen ist es noch recht früh für eine umfassende Übersicht der KI-Verordnung. Wichtig ist: Es soll einen Katalog absolut verbotener Einsatz-Szenarien von KI geben, es soll eine „High-Risk“-KI geben, für die besondere Vorgaben gelten; darüber hinaus gibt es Transparenzpflichten bei eingesetzter KI.
Update zum Stand der KI-Verordnung: Am 19.10.2022 hat die (tschechische) EU-Ratspräsidentschaft einen neuen Kompromiss vorgeschlagen, Ziel ist gegen Ende des Jahres 2022 eine Einigung für ein „KI-Gesetz“ zu finden. In dem 8. Vorschlag werden wesentliche Streitpunkte aufgegriffen. Am 11.5. wurde dann ein Kompromissvorschlag gefunden und beschlossen (der aber noch durch die weitere Gesetzgebung muss). Mehr dazu unten im Abschnitt „laufende Updates“.
Hinweis: Hier geht es um den Entwurf einer Verordnung zur Regulierung von KI („KI-Verordnung“, auch „AI Act“). Dies ist nicht zu verwechseln mit dem zugleich laufenden Versuch der EU, zivilrechtliche Haftungsregelung für künstliche Intelligenz aufzustellen, dazu siehe beispielsweise den zwischenzeitlich beschlossenen Text hier.
KI-Verordnung: EU reguliert Einsatz künstlicher Intelligenz weiterlesenSoftware-Escrow
Software-Escrow, oft auch als Quellcode-Hinterlegung bezeichnet, ist ein wichtiger Aspekt im IT-Recht, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, vor allem in Geschäftsbeziehungen, bei denen die langfristige Verfügbarkeit und Wartung von Software kritisch ist. Dieser Blog-Beitrag zielt darauf ab, die Grundzüge und rechtlichen Rahmenbedingungen von Software-Escrow verständlich darzulegen.
Software-Escrow weiterlesenDigitale Produkte
Digitale Produkte werden in Deutschland nun rechtlich eigenständig geregelt. Hintergrund ist, dass das deutsche Recht auf Basis zweier EU-Richtlinien aus seiner überwiegend analogen Zeit in eine moderne, digitale Form gezwungen wurde.
Digitale Produkte weiterlesen