Um einen echten Klassiker im Softwarerecht ging es beim OLG München (7 U 5822/20): Ein Immobilienverwaltungs-Unternehmen hatte eine wohnungswirtschaftlichen Software sowie hierzu vereinbarte Schulungs- und Supportleistungen eingekauft.
Dann gab es Streit um die Frage, ob die Software mangelhaft war, weil sie auf den MacOS-Systemen des Erwerbers nicht laufen konnte; Hintergrund war, dass für die Nutzung der Software ein Microsoft SQL-Datenbankserver erforderlich war, der schwerlich unter MacOS (nativ) ans Laufen zu bekommen sein wird. Dass die Erwerber, die ausschließlich Apple-Geräte, einsetzten, damit unglücklich waren, war mehr als nachvollziehbar.
Was war vereinbart?
Der Fall ist in jeglicher Hinsicht ein echter Klassiker, in diesen Konstellationen ist es keinesfalls selten, dass entweder die Anbieter einfach schludrig arbeiten – oder die Erwerber zwar Vorstellungen in ihrem Kopf haben, diese aber nicht vertraglich festzurren. Der – in Deutschland verbreitete – Geiz an (erfahrenen) Anwälten mag dabei eine gewisse Rolle spielen.
Wenn man nun fragt, ob ein Sachmangel vorlag (hier kam das OLG zur Anwendung von Kaufrecht), wird man dreistufig vorgehen und fragen müssen:
- Wurde eine Beschaffenheitsvereinbarung iSd. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen?
- War die Software zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung geeignet?
- Wies die Software die übliche Beschaffenheit auf, die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten konnte?
Kernpunkt ist dabei regelmäßig die Frage der vereinbarten Beschaffenheit; anders als im Verbraucherrecht, wo seit 2022 gesetzlich besondere Regeln gelten, werden im kaufmännischen Verkehr die üblichen Grundlagen zur Anwendung kommen.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. An das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen; mit der Rechtsprechung des BGH kommt eine solche nicht mehr im Zweifel, sondern nur noch in eindeutigen Fällen in Betracht. Vorliegend war dabei ausdrücklich in den Vertragsunterlagen vorgesehen, dass man eine Microsoft Umgebung benötigt, so dass seitens des Gerichts die Begründung nicht allzu umfangreich ausfällt:
Nach diesen Grundsätzen liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Software auch unter macOS nicht vor. Denn aus der „Detailübersicht Ihres Softwarepaketes“ auf Seite 2 des Angebotsschreibens (…) war ersichtlich, dass für die Nutzung der Software ein Microsoft SQL-Datenbankserver erforderlich ist, der von Microsoft bezogen werden könne. Hinsichtlich des Microsoft-Datenbankservers wurde in dem Angebotsschreiben (…) unter der fett gedruckten Überschrift „Zusatz-Hinweise“ noch ausgeführt, dass die Microsoft SQL 2016 Version nur mit im Einzelnen aufgelisteten Microsoft Server Betriebssystemen verwendet werden könne.
Aus dem Vertragsangebot ergab sich damit unzweideutig, dass die streitgegenständliche Software nur unter einem Windowsbetriebssystem und damit nicht (auch) unter macOS funktionieren würde. Da die Beklagte dieses Angebot durch Unterzeichnung des Angebotsschreibens (…) annahm, wurde die im Angebotsschreiben enthaltene Beschreibung Vertragsinhalt; eine Beschaffenheitsvereinbarung über eine Funktionsfähigkeit der Software auch unter macOS war somit nicht getroffen.
Nun hat man auch Beweis erhoben darüber, ob nicht mündliche Erklärungen, etwa im Rahmen einer Präsentation erfolgt sind – was aber letztlich nicht zugunsten der Erwerberin ausging.
Auch im Übrigen kein Sachmangel der Software
Dass auch im Übrigen kein Mangel vorlag, dürfte nicht überraschen, denn hier geht es alleine darum, ob sich die Kaufsache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.
Bei dieser Frage geht es um die konkrete Nutzung der Kaufsache durch den Käufer, die die Parteien zwar nicht vereinbart, aber übereinstimmend unterstellt haben. Bei der Ermittlung dieser Verwendung sind dann neben dem Vertragsinhalt die Gesamtumstände des Vertragsabschlusses heranzuziehen. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB zielt mit dem Merkmal der „nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ nicht auf konkrete Eigenschaften der Kaufsache ab, die sich der Käufer vorstellt, sondern darauf, ob die Sache für die dem Verkäufer erkennbare Verwendung (Nutzungsart) durch den Käufer geeignet ist (BGH, VIII ZR 213/18), was vorliegend mit dem OLG nicht verfängt:
Einsatzzweck der streitgegenständlichen Software war nach übereinstimmender Vorstellung der Parteien die Immobilienverwaltung. Dass die Software hierfür nicht geeignet gewesen wäre, trägt die Beklagte nicht vor. Die Funktionsfähigkeit der Software auch unter macOS bzw. die Verfügbarkeit eines Zusatzmoduls, das diese Funktionsfähigkeit herstellt, sind demgegenüber konkrete Eigenschaften der Software, die sich die Beklagte vorstellt, nicht aber der Verwendungszweck, sodass ein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB nicht vorliegt.
Schulungsgebühren für eine Software, die man nicht braucht?
Es ist hart, aber: Es ist nicht das grundsätzliche Problem des Software-Verkäufers, ob der Software-Verwender seine Software nutzen kann (siehe aber meine Anmerkung sogleich). Doch es wird noch schlimmer: Der Käufer sitzt nun auf einer Software, die er nicht brauchen kann. Er hat aber, man erinnere sich, nicht nur die Software gekauft, sondern ein Gesamtpaket abgeschlossen, mit dem sowohl die Lieferung der Software aber auch eine dienstvertragliche Leistung, nämlich Schulung der Mitarbeiter und Support vereinbart wurde, was nochmal gute 3000 Euro ausmachen sollte. Muss dies nun auch bezahlt werden? Die kurze Antwort lautet: Ja. Dies überfordert Mandanten in der sehr undankbaren Situation regelmäßig.
Man muss in diesen Fällen sehr genau überlegen, wie man vorgehen möchte. Dabei darf man sich gerade in kostenintensiven IT-Projekten oder Software-Beschaffungen nicht von (in unserem Kulturraum fatalerweise verbreiteten) „Schuldfragen“ leiten lassen. Wer in diesen Fällen nicht wirtschaftlich denkt, der wirft dem schlechten Geld sprichwörtlich gutes Geld hinterher. Bevor man auf der „Schuldebene“ darum streitet, ob getäuscht wurde oder was ganz anderes in mündlichen Gesprächen versprochen wurde, sollte etwa viel Zeit investiert werden, um zu prüfen, ob Aufklärungspflichten im Vorhinein verletzt wurden und wie man dies beweisen kann – bevor man auf das Glatteis läuft, mündliche Absprachen nachweisen zu müssen.
Jens Ferner
Fachanwalt für IT-RechtDas Ärgerliche ist doch: Nun hat man viel Geld für eine Software bezahlt, die man nicht nutzen kann – und soll auch noch für Schulungen oder Support zahlen, den man gar nicht braucht? Dabei sind gerade die Zusatz-Dienstleistungen und Zusatz-Module bei Spezial-Software das, was den Preis erst „rund“ macht. Nachvollziehbar, dass Mandanten hier mitunter verständnislos sind – doch es geht nicht um Interesse an Leistung, sondern um die harte juristische Frage, ob man aus dem nun einmal geschlossenen Vertrag raus kommt oder nicht.
Juristisch wird man Fragen müssen, wie eine Zusatzvereinbarung über Support/Schulungen zu vereinbaren ist. Oft ist es dann so, wie im vorliegenden Streitfall, dass die Frage, um welche Art von Vertrag es sich handelt, hinten anstehen kann. Hier muss man unterscheiden:
- Es kann sich um einen sogenannten zusammengesetzten Vertrag handeln, wenn die beiden vertraglichen Leistungen gedanklich voneinander trennbar sind und grundsätzlich Gegenstand rechtlich selbständiger Vereinbarungen sein können;
- Es kann sich aber auch um einen sogenannten Kombinationsvertrag, bei dem verschiedene Vertragstypen derart verbunden sind, dass sie nur in ihrer Gesamtheit ein sinnvolles Ganzes ergeben handeln;
Nicht selten ist es dann am Ende der Fall, dass in beiden Fällen ein auf den dienstvertraglichen Teil beschränktes Kündigungsrecht ausscheidet, was das OLG recht ausführlich darstellt:
Geht man von einem zusammengesetzten Vertrag aus, so wäre aufgrund der Aufnahme der Vereinbarungen in eine einheitliche Urkunde von einem Einheitlichkeitswillen der Parteien iSd. § 139 BGB auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.1970 – V ZR 130/67, Rdnr: 9, der insoweit eine Vermutung annimmt), sodass eine lediglich auf den dienstvertraglichen Vertragsteil beschränkte Kündigung nach §§ 620, 621 BGB nicht in Betracht kommt.
Aber auch bei Annahme eines Kombinationsvertrages wäre für die Frage der Beendigung des Vertrages nicht (wie hinsichtlich anderer Aspekte) die Kombinations-, sondern die Absorptionsmethode anzuwenden, sodass für die Frage der Kündbarkeit unter Berücksichtigung des Schwerpunkts der vertraglichen Elemente die auf den Vertrag insgesamt anwendbare Norm zu bestimmen ist (vgl. Herresthal in beck-online Großkommentar BGB, Stand 01.01.2021, Rdnr. 97 zu § 311).
Dies ist im streitgegenständlichen Fall das Kaufvertragsrecht, da – wie sich allein aus der betragsmäßigen Gewichtung der Vertragsleistungen ergibt – nach dem Willen der Parteien der Schwerpunkt auf dem Erwerb der Software liegen sollte. Nach Kaufrecht ergibt sich aber – wie … dargelegt – keine Möglichkeit für die Klägerin, sich einseitig vom Vertrag zu lösen.
Kröten schlucken
Solche Streitfälle gerichtlich lösen zu müssen, ist extrem unglücklich, in IT-Sachverhalten ist es oft sinnvoller, realistisch die Lage zu bewerten, einzusehen, wenn man mit schlechten Chancen etwas gewinnen kann und dann fernab persönlicher Animositäten, ohne Schuldzuweisungen, wirtschaftlich zu planen. Letzteres fällt persönlich gekränkten Geschäftsführern oft schwer und muss dann erst schrittweise erarbeitet werden.
So sollte das Prozesskostenrisiko von 2 Instanzen in Relation gesetzt werden zu den Kosten einer „gekrückten“ Lösung, in der man die Fehlbeschaffung noch irgendwie verwenden kann (im vorliegenden Fall etwa durch ein virtuelles Windows). Wenn hier ein Missverhältnis besteht, sollten die hier ermittelten Zahlen genutzt werden, um mit der Gegenseite über einen Vergleich zu reden, der sich der Höhe nach an den ermittelten Kosten der anderen Szenarien orientiert und letztlich, rein wirtschaftlich betrachtet, einen Ausweg zu geringeren Kosten ermöglicht.
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