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EU-Digitalstrategie

Die EU-Digitalstrategie ist eine Idee der EU-Kommission, mit dem Ziel, „das kommende Jahrzehnt zur digitalen Dekade Europas zu machen“. Ziel sind der Ausbau der digitalen Souveränität Europas sowie Aufbau eigener Standards. Der Schwerpunkt liegt in den groben Themenbereichen Daten, Technologie und Infrastruktur.

Bei der EU-Digitalstrategie handelt es sich „nur“ um ein Strategiepapier – solche Papiere sind politisch allerdings von herausragender Bedeutung, da sie nicht nur allgemein, sondern eben auch in ihrer Zielsetzung verbindlich sind. Sie prägen mitunter über viele Jahre die politische Landschaft und Entwicklung. Daher sollte man die „EU-Digitalstrategie“, die zumindest auf dem Papier ein Loskoppeln von Abhängigkeiten im digitalen Raum bedeutet, nicht unterschätzen.

Zu den Schwerpunkten im Bereich der EU-Digitalstrategie gehören die Themenkomplexe:

  • Cybersicherheit: Durch mehrere Säulen soll die Cybersecurity gestärkt werden. Mit dem Cybersecurity Act soll speziell die ENISA (EU-Agentur für Cybersicherheit) ausgebaut werden, Zertifizierung soll etabliert werden und die NIS-Richtlinie fortgeschrieben werden.
  • Künstliche Intelligenz: Es geht um die Förderung der Nutzung von KI sowie die Bildung von Vertrauen indem ein rechtlicher Rahmen für den Einsatz von KI geschaffen wird.
  • Gesetz über digitale Dienste: Regulierung digitaler Dienste in der EU. Das Ziel ist ein einheitliches Regelwerk zu Pflichten und Verantwortlichkeiten von Vermittlern zur Schaffung binnenmarktweiter neuer Möglichkeiten, digitale Dienste länderübergreifend anzubieten. Im Kern stehen der Verbraucherschutz und die Schaffung eines „klaren Transparenz- und Rechenschaftsrahmens“ für Online-Plattformen. Ich orte hier auch die neue und schon umzusetzende Warenkaufrichtlinie und die „Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ ein. Hierin finden sich auch erstmals Vorgaben für die nationale Gesetzgebung im Softwarerecht gegenüber Verbrauchern.
  • Gesetz über digitale Märkte: Große Online-Plattformen werden als „Gatekeeper“ definiert. Das Ziel ist dann, dass gewerbliche Nutzer ein faireres Umfeld zur Vermittlung Ihrer Leistungen vorfinden; während Verbrauchern der leichtere Wechsel von Dienstleistern ermöglicht werden soll.
  • Hochleistungsrechnen (HPC): High Performance Computing (HPC), auch bekannt als Supercomputing, bezieht sich auf Rechensysteme mit extrem hoher Rechenleistung, die in der Lage sind, äußerst komplexe und anspruchsvolle Probleme zu lösen. Im digitalen Zeitalter steht HPC im Mittelpunkt wichtiger Fortschritte und Innovationen und ist eine strategische Ressource für die Zukunft Europas.
  • Europäische Datenstrategie: Das Ziel ist die Schaffung eines Binnenmarkts für Daten, damit diese innerhalb der EU und branchenübergreifend „zum Nutzen von Unternehmen, Forschern und öffentlichen Verwaltungen“ weitergegeben und verwendet werden können. Es geht also darum, Daten als Ressourcen zu sehen und zur Verfügung zu stellen.
  • Europäische Industriestrategie: Hierunter wird die Kombination aus ökologischem und digitalem Wandelt verstanden, worin die Industrie unterstützt werden soll.
  • Digitale Kompetenz: Man braucht digitale Kompetenzen, um zu studieren, zu arbeiten, zu kommunizieren, auf öffentliche Online-Dienste zuzugreifen und vertrauenswürdige Informationen zu finden. Viele Europäer verfügen laut EU-Kommission jedoch nicht über angemessene digitale Fähigkeiten. Der Digital Economy and Society Index (DESI) zeigt, dass 4 von 10 Erwachsenen und jede dritte Person, die in Europa arbeitet, keine grundlegenden digitalen Fähigkeiten haben. Es geht darum, diese digitale Kompetenzlücke zu schließen und Projekte und Strategien zur Verbesserung des Niveaus der digitalen Kompetenzen in Europa zu fördern.
  • Konnektivität: Hierunter will die EU-Kommission schlicht die Möglichkeit digitaler Vernetzung untereinander verstehen. Die hiermit verbundenen Ziele definiert man so: „Die EU sorgt dafür, indem sie uns mehr Wahlmöglichkeiten, mehr Rechte und erschwinglichere Anrufe, Nachrichten und Internet bringt. Wir können ihre Mobilfunkverträge auch auf Reisen durch die EU mitnehmen, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen. Die WiFi4EU-Initiative finanziert die Einrichtung von kostenlosen Wi-Fi-Hotspots in lokalen Gemeinden. Darüber hinaus stellt die EU Finanzmittel bereit, entwickelt technische Leitlinien und bringt Experten zusammen, um öffentliche Verwaltungen und Unternehmen zu unterstützen, die an der Verbesserung der Netzabdeckung und der Einführung von 5G-Netzen in ganz Europa arbeiten.“

Auf Ebene der EU kann man nicht alles durch direkte Gesetze regeln, daher wirkt mitunter das ein oder andere Ziel etwas „verschwurbelt“. So kann die EU beispielsweise im Verbraucherrecht durch Richtlinien die nationale Gesetzgebung beeinflussen, nicht aber im Vertragsrecht derart allgemein, dass auch Unternehmen mit geregelt werden – das Ergebnis ist dann eben, dass man EU-weit im Softwarerecht Vorgaben bei Verträgen mit Verbrauchern haben wird, nicht aber solche Vorgaben auch im B2B-Bereich. Anders dann wieder, wenn es um EU-weite Plattformen geht, die Leistungen für gewerbliche Abnehmer bieten.

Die EU-Digitalstrategie wird erhebliche Auswirkungen haben, das Ziel sich auf ein Jahrzehnt auszurichten ist dabei realistisch – leider nicht in dem Sinne, dass wir noch in diesem Jahrzehnt zwingend Änderungen im digitalen Bereich erleben werden (wo Europa dann doch den Anschluss zumindest in Teilen verloren hat): Alleine die Gesetzgebungsakte für all diese Ziele werden sicherlich mehr als 5 Jahre andauern. Und während – wie so oft – sicherlich Unmengen an Geld an die „Big Player“ und Universitäten über den EU-Haushalt direkt verteilt werden können, werden die innovationstreibenden Startups weiter darauf warten, dass es endlich ein modernes Fundraising und Versorgung mit Kapital gibt. Nicht verklärt, wie im Silicon Valley, wo (erschreckend unbekannt) das US-Militär wohl der Hauptgeldgeber ist, sondern im Sinne einer freien Geldvergabe.

Das Problem ist, dass die Diskussionen die jetzt im Raum stehen, alleine Jahre rechtlicher Diskussion bräuchten. Was so simpel nach „Datenstrategie“ klingt, ist spiegelbildlich zu der Frage, wie man die Rechtsnatur von Daten und ein eventuelles Eigentum an Daten definieren möchte. Das aber ist im europäischen Rechtskontext noch nicht einmal angegangen worden, die Frage zur Rechtsnatur von Daten führt hierzulande ein Schattendasein mit zwar starken aber kaum relevanten Meinungen.

Die EU hat ein Problem: Sie hat über Jahrzehnte die digitale Entwicklung „mitgemacht“ und nunmehr erkannt, dass zwischen den USA und China, in Zeiten von Begriffen wie Cyberwar, kein Raum mehr für schlichte Mitschwimmer in Strömungen ist.

Nun versucht sie, mit einem überkommenen System langatmiger politischer Prozesse etwas anzustossen, in dem andere Regionen seit Jahrzehnten Vorsprung haben. Nicht, dass die aktuellen Diskussionen falsch wären – wir können es uns aber nicht leisten, jetzt nach „business as usual“ zu verfahren.

Wir brauchen vor allem ein modernes Kapitalsystem, das es ermöglicht, mit vertretbarem Risiko an Gelder zu kommen, um neue Projekte zu schaffen, die auch scheitern dürfen (ohne dass man danach wirtschaftlich ruiniert ist). Wir brauchen die Möglichkeit einfacher und günstiger Weiterbildungsmaßnahmen, die jedem Bürger in Europa ermöglichen, sich digital fortzubilden. Und wir brauchen die Erkenntnis, dass schon in 10 Jahren Fertigkeiten wie das Beherrschen von Programmiersprachen, so elementar sind, dass ein Mangel in diesem Bereich einem (digitalen) Analphabetismus gleich kommt. Und damit all dies funktioniert, muss man sich – ganz besonders in Deutschland – von dem üblichen Bildungsweg verabschieden, der Menschen ganzer sozialer Schichten von guter Schulbildung fernhält und wo man glaubt, durch Noten in Standard-Fächern festlegen zu können, was ein Mensch kann. Wir brauchen ein (Aus-)Bildungssystem, das auf Fertigkeiten und Fähigkeiten achtet, weniger auf Noten in Schulfächern, die mit einem digitalen Alltag wenig zu tun haben. Wer das einmal verstanden hat, wundert sich dann nicht mehr, warum zum Beispiel so viele Menschen mit Abitur bis heute an effektiver Nutzung einer Textverarbeitung scheitern. Auch eine noch so tolle EU-Digitalstrategie wird an diesem Problem nichts ändern.

BTW: Wie schlimm die gesamte Problematik ist, zeigt ja schon alleine, dass ein Großteil der Texte der EU zu diesem Thema nur auf Englisch verfügbar ist – was bei weitem nicht jeder Europäer fliessend beherrscht. Dabei mag letzteres das zu lösende Problem sein; bis es gelöst ist muss man aber den Zugang aller Menschen zu diesen Informationen durch Übersetzung in sämtliche Sprachen sicherstellen – oder genügend Geld ausgeben, damit KI-gestützte Übersetzungssysteme für jeden Bürger in guter Qualität frei verfügbar sind.

Link dazu: Webseite der EU-Kommission zur EU-Digitalstrategie

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT-Recht)

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT-Recht)

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