Einen ganz besonderen Fall hatte das OLG München (6 U 3509/19) zu entscheiden: Es ging um die Frage, wie man mit einem aufgedrängten Upgrade umgeht. Üblicherweise streitet man im Softwarerecht ja eher um das Gegenteil, nämlich um die Frage der Updatepflicht.
Dabei ging es um ein Softwareunternehmen, das wohl einen orthopädischen Chirurgen angeschrieben und darauf hingewiesen hatte, dass die von ihm verwendete Software ohne ein angebotenes Upgrade nicht mehr benutzt werden dürfe und anderenfalls „schon wegen Fehlens eines Upgrades die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinaus gefährdet sei“. Das verwunderte den Empfänger des Schreibens, insbesondere zumal nach ihm die streitgegenständliche Software bislang fehlerfrei gearbeitet haben soll.
Das Softwareunternehmen wurde nun von einem Verband auf Unterlassung in Anspruch genommen – mit Erfolg, denn das OLG sah hier ein wettbewerbswidriges Verhalten.
Beweislast beim Softwarehersteller
Entsprechend § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die im Gesetz aufgeführten Umstände beinhaltet.
Nun trägt aber grundsätzlich die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Unrichtigkeit einer behaupteten Tatsache im Rahmen des Irreführungstatbestands nach § 5 UWG. An dieser Stelle gibt es dann Darlegungs- und Beweiserleichterungen, soweit es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich der Beklagtenseite fallen. Dies speziell, wenn es sich um innerbetriebliche Vorgänge handelt, deren genaue Kenntnis sich der außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Klagepartei entzieht. In derlei Fällen entspricht es dem im Prozess geltenden Gebot von Treu und Glauben, dass der Beklagte die erforderliche Aufklärung leistet, sofern sie ihm nach den Umständen zuzumuten ist – so kommt man dann zur sekundären Darlegungslast. Diesen Weg muss man verstehen, um zu verstehen, was vorliegend geschehen ist.
Softwarehersteller kann sich nicht erklären
Bei dem Umstand, ob mit der Weiterverwendung einer Software ohne Durchführung eines Upgrades ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verbunden ist, handelt es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang. Hier trifft den Softwarehersteller nach obigen Grundsätzen dann insoweit eine sekundäre Darlegungslast.
Im vorliegenden Fall genügte der Softwarehersteller seiner Pflicht nicht: Das Gericht störte sich bereits daran, dass angeblich ohne Durchführung des Upgrades bestehende Mängel bzw. angebliche Fehlfunktionen der Software auftreten – deren Ursachen im Vortrag aber nicht beschrieben wurden bzw. die von der Software ausgehenden Risiken nicht dargestellt wurden. So wäre etwa konkret vorzutragen, dass und inwiefern die Software aufgrund einer Aktualisierung eines zugrunde liegenden Betriebssystems nur noch fehlerhaft funktionieren soll – eine allgemeine Behauptung dagegen reicht hier auf keinen Fall aus.
Letztlich war der Vortrag des Softwareherstellers aus Sicht des Gerichts schlicht unschlüssig und man sah nicht, wo tatsächlich ein Sicherheitsproblem vorgelegen haben soll.
Irreführung durch behauptete Sicherheitslücke
Es wurde also im Ergebnis nach den Feststellungen des Gerichts aktiv getäuscht, somit handelt es sich bei einem derartigen Vorgehen um eine relevante Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG, da diese geeignet ist, bei dem Adressaten irrige Vorstellungen über das angebotene Software-Produkt hervorzurufen – nämlich dass das „Upgrade“ ein sicherheitsrelevantes Funktionsdefizit und ein daraus folgendes Benutzungsverbot der Software auszugleichen vermag. Hierdurch sollte zum Erwerb des angebotenen Software-Upgrades angeregt werden.
Insgesamt liest sich die Entscheidung recht schwierig: So stellt sich mitten drin heraus, dass das angebliche „Upgrade“ zwar als solches Beworben wurde, tatsächlich aber vielmehr eine alternative Software zu sein schien. Dazu ging es noch um ein Medizinprodukt und es wurde in den Raum gestellt, man müsse den Nutzer melden, wenn dieser die Software weiterhin einsetzt (was dann einen besonderen Unterlassungsanspruch wegen aggressiver Werbemethoden auslöste).
Jens Ferner
Fachanwalt für IT-RechtDie Entscheidung ist Wichtig, wenn auch in ihrem Kern gar kein Neuland: Wer sein Produkt unlauter bewirbt, der kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Das gilt natürlich auch und erst Recht, wenn man mit angeblich bestehenden Sicherheitslücken darum wirbt, in einen Softwareumstieg zu investieren. Erlaubt ist es durchaus, dann muss man aber als Softwarehersteller dazu in der Lage sein, konkret und nachprüfbar vorzubringen, worin die Sicherheitslücken liegen sollen, wenn man von einem Update/Upgrade oder Alternativprodukt absieht. Allgemeine Ausführungen reichen hier auf keinen Fall.
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